venerdì 14 novembre 2008

Südtirol gehört nicht den Schützen

Wer Frieden will, muss anders auftreten als die Schützen bei ihrem Protestmarsch durch Bozen. Und wer etwas verändern will, muss begreifen, dass Konsens nicht Nonsens, sondern Demokratie ist.
von Georg Mair
Der Künstler, der am Gerichtsplatz in Bozen die Taten Mussolinis verherrlichte, war deutscher Muttersprache. Ein Bildhauer aus Bozen, Hans Piffrader, der sich in den 30er-Jahren opportunistisch in die faschistische Künstlerschaft eingliederte. Wer über das Fries redet, das sich über die Vorderfront der ehemaligen „Casa del fascio“ zieht (heute Sitz des Finanzamtes), darf von seinem Schöpfer nicht schweigen. Die Geschichte ist komplizierter, als die Schützen sie darstellen.Der Künstler, der am Gerichtsplatz in Bozen die Taten Mussolinis verherrlichte, war deutscher Muttersprache. Ein Bildhauer aus Bozen, Hans Piffrader, der sich in den 30er-Jahren opportunistisch in die faschistische Künstlerschaft eingliederte. Wer über das Fries redet, das sich über die Vorderfront der ehemaligen „Casa del fascio“ zieht (heute Sitz des Finanzamtes), darf von seinem Schöpfer nicht schweigen. Die Geschichte ist komplizierter, als die Schützen sie darstellen.
Hans Piffrader war nach dem Zweiten Weltkrieg Präsident des Südtiroler Künstlerbundes, Nazis und Faschisten waren schnell wieder miteinander im Bund. Bis heute drückt man sich um ein klares Wort zu Piffrader herum. Denn dann könnte man nicht mehr so leicht den Finger gegen die Italiener erheben, die die Relikte des Faschismus verteidigen. Dann müssten die deutschsprachigen Südtiroler auch über sich selber reden.
In Südtirol sind die Täter immer die anderen. Das ist bequem, da lassen sich leicht martialische Reden schwingen. Die deutschsprachigen Südtiroler waren auch ein Tätervolk, bis heute geben die Täter, die sich als Opfer verkleiden, den Ton an. Besonders fällt das auf bei den Gelegenheiten, wo man sich um die Gedenksteine für die Gefallenen der Weltkriege versammelt und mit feuchten Augen von den Sternen an Russlands Himmel und den Opfern der Soldaten faselt. Ja, die Soldaten waren Opfer. Und Täter.
Es war ein merkwürdiger Zug der Schützen, der sich am vergangenen Samstag durch Bozen wand – durch die Lauben, am Siegesdenkmal vorbei zum Gerichtsplatz. Beschützt vom bösen Staat, der ganz selbstverständlich auch die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit derer schützt, die „los von Italien“ wollen. Wer gegen diesen Marsch friedlich, wenn auch lautstark, protestiert, muss sich nicht schämen – auch das ist in einer Demokratie legitim, auch das gehört zur Meinungsfreiheit.
Nur wer kein historisches Bewusstsein hat, kann den Marsch der 3.000 Schützen als „beeindruckend“ bezeichnen, es sei denn, man versteht unter „beeindruckend“ gespenstisch oder bedrohlich. Denn was ist es anders als bedrohlich, wenn 3.000 Männer in Uniform mit Fackeln trommelnd und im Marschtritt durch die Straßen ziehen? Das ist eine Drohkulisse, sie erinnert fatal an die Choreografie einer Militärparade, wenn nicht gar an die Aufmarsch-Ordnung autoritärer Systeme.
Es ist reichlich widersprüchlich, wenn sich eine antifaschistische Kundgebung einer totalitären Symbolik bedient. Warum kann man nicht bei Tag, in Zivil, ohne Fackeln, ohne Trommelgewitter und nicht im Gleichschritt demonstrieren? Wer für Frieden ist, bedient sich anderer Mittel, wer sich solcher Mittel bedient, schürt die Gegensätze zwischen den Sprachgruppen.
Was mit Siegesdenkmal und Mussolini-Fries passiert, kann nicht von oben verfügt, sondern nur im Konsens entschieden werden. Südtirol gehört nicht den Schützen. Südtirol gehört allen, die hier leben – gleich welcher Herkunft und welcher Muttersprache. Konsens ist nicht Nonsens, sondern Demokratie. Ob es einem passt oder nicht, Demokratie ist mühsame Vermittlung und Ausgleich der Interessen. Das müssen die Schützen verstehen, aber auch Donato Seppi, Alessandro Urzì, Michaela Biancofiore und der italienische Verteidigungsminister Ignazio La Russa, der am Siegesdenkmal einen Kranz aus weißen Rosen niederlegen hat lassen.
Identität entscheidet sich nicht am Siegesdenkmal oder am Mussolini-Fries, sondern in der Auseinandersetzung, im Umgang miteinander, in der Konfrontation, im Reden über die Dinge, im Reden auch über die Vergangenheit. Wie schwach müssen eine Identität und ein Selbstbewusstsein sein, die von Denkmälern ins Wanken gebracht werden!
(Quelle: www.ff-online.it)


2 commenti:

  1. "Der Künstler, der am Gerichtsplatz in Bozen die Taten Mussolinis verherrlichte, war deutscher Muttersprache. Ein Bildhauer aus Bozen, Hans Piffrader, der sich in den 30er-Jahren opportunistisch in die faschistische Künstlerschaft eingliederte. Wer über das Fries redet, das sich über die Vorderfront der ehemaligen „Casa del fascio“ zieht (heute Sitz des Finanzamtes), darf von seinem Schöpfer nicht schweigen. Die Geschichte ist komplizierter, als die Schützen sie darstellen.
    Hans Piffrader war nach dem Zweiten Weltkrieg Präsident des Südtiroler Künstlerbundes, Nazis und Faschisten waren schnell wieder miteinander im Bund. Bis heute drückt man sich um ein klares Wort zu Piffrader herum. Denn dann könnte man nicht mehr so leicht den Finger gegen die Italiener erheben, die die Relikte des Faschismus verteidigen. Dann müssten die deutschsprachigen Südtiroler auch über sich selber reden."

    Ich bin anderer Meinung: Gerade wenn man ein klares Wort auch zu Piffrader rausbringt, kann man den Finger gegen jene erheben, die die Relikte des Faschismus verteidigen. Im Übrigen sind die Schützen nicht weniger glaubwürdig, wenn sie die Entfernung des Werkes eines "Deutschsprachigen" fordern.

    "In Südtirol sind die Täter immer die anderen. Das ist bequem, da lassen sich leicht martialische Reden schwingen. Die deutschsprachigen Südtiroler waren auch ein Tätervolk, bis heute geben die Täter, die sich als Opfer verkleiden, den Ton an. Besonders fällt das auf bei den Gelegenheiten, wo man sich um die Gedenksteine für die Gefallenen der Weltkriege versammelt und mit feuchten Augen von den Sternen an Russlands Himmel und den Opfern der Soldaten faselt. Ja, die Soldaten waren Opfer. Und Täter."

    Ich frage mich warum in Südtirol immer nur jenen das Parkett überlassen wird, die martialische Reden schwingen und große Schwierigkeiten haben, auch den Balken im eigenen Auge zu sehen. Wo sind die Grünen, wo die Linken?

    "Es war ein merkwürdiger Zug der Schützen, der sich am vergangenen Samstag durch Bozen wand – durch die Lauben, am Siegesdenkmal vorbei zum Gerichtsplatz. Beschützt vom bösen Staat, der ganz selbstverständlich auch die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit derer schützt, die „los von Italien“ wollen. Wer gegen diesen Marsch friedlich, wenn auch lautstark, protestiert, muss sich nicht schämen – auch das ist in einer Demokratie legitim, auch das gehört zur Meinungsfreiheit."

    Das wäre ja noch schöner: Warum soll eine Demokratie eine genehmigte, demokratische, rechtlich mehr als unbedenkliche Demo nicht schützen, egal von wem sie organisiert wird? Es gäbe rein gar keinen Grund dafür.

    "Nur wer kein historisches Bewusstsein hat, kann den Marsch der 3.000 Schützen als „beeindruckend“ bezeichnen, es sei denn, man versteht unter „beeindruckend“ gespenstisch oder bedrohlich. Denn was ist es anders als bedrohlich, wenn 3.000 Männer in Uniform mit Fackeln trommelnd und im Marschtritt durch die Straßen ziehen? Das ist eine Drohkulisse, sie erinnert fatal an die Choreografie einer Militärparade, wenn nicht gar an die Aufmarsch-Ordnung autoritärer Systeme."

    Was ist es anders als bedrohlich, wenn zahlreiche Menschen friedlich, gewaltfrei, unter Beachtung aller Gesetze eine Kundgebung organisieren!? Auch mir sind Formen "linken" Protestes lieber, aber in Südtirol haben die nunmal beschlossen, diese Themen den Rechten zu überlassen. Und da müssen wir uns — demokratisch — eben damit abfinden, dass sie ihre Kundgebungen so durchführen, wie es ihren Vorstellungen entspricht.

    "Es ist reichlich widersprüchlich, wenn sich eine antifaschistische Kundgebung einer totalitären Symbolik bedient. Warum kann man nicht bei Tag, in Zivil, ohne Fackeln, ohne Trommelgewitter und nicht im Gleichschritt demonstrieren? Wer für Frieden ist, bedient sich anderer Mittel, wer sich solcher Mittel bedient, schürt die Gegensätze zwischen den Sprachgruppen."

    Natürlich war die Form reichlich kontraproduktiv. Doch noch einmal: Wo bleibt die Initiative der anderen? Ich würde sofort mitdemonstrieren, wenn die Linken eine Demo gegen das Siegesdenkmal organisieren, und in einem Zuge auch die Täterschaft der Südtiroler nicht verschweigen.

    "Was mit Siegesdenkmal und Mussolini-Fries passiert, kann nicht von oben verfügt, sondern nur im Konsens entschieden werden. Südtirol gehört nicht den Schützen. Südtirol gehört allen, die hier leben – gleich welcher Herkunft und welcher Muttersprache. Konsens ist nicht Nonsens, sondern Demokratie."

    Wer verordnet hier was von oben? Wer erhebt denn den Anspruch, dass ihm gleich das ganze Land gehört? Die Schützen haben die gleiche Berechtigung, ein Thema zu besetzen und eine Kundgebung zu veranstalten, wie alle anderen auch. Und dieses Thema gehört so lange den Schützen, wie dies die anderen durch ihre Passivität zulassen. Soviel Demokratieverständnis sollten wir schon haben.

    "Ob es einem passt oder nicht, Demokratie ist mühsame Vermittlung und Ausgleich der Interessen. Das müssen die Schützen verstehen, aber auch Donato Seppi, Alessandro Urzì, Michaela Biancofiore und der italienische Verteidigungsminister Ignazio La Russa, der am Siegesdenkmal einen Kranz aus weißen Rosen niederlegen hat lassen.
    Identität entscheidet sich nicht am Siegesdenkmal oder am Mussolini-Fries, sondern in der Auseinandersetzung, im Umgang miteinander, in der Konfrontation, im Reden über die Dinge, im Reden auch über die Vergangenheit. Wie schwach müssen eine Identität und ein Selbstbewusstsein sein, die von Denkmälern ins Wanken gebracht werden!"

    Ins Wanken gebracht wird hier nix, aber deshalb muss man nicht alles hinnehmen. Die Nazis in Schenna bringen auch nicht meine Identität ins Wanken, doch ich bin glücklich, wenn sie dingfest gemacht werden.

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  2. Hans Piffrader war nicht aus Bozen... er war aus Klausen....1888-1950

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