Bereits seit Jahren gibt es im Raum Burggrafenamt jugendliche Cliquen, die sich offenbar in der Tradition der Jugendorganisation des Dritten Reiches sehen. So traten in Naturns beispielsweise schon vor rund vier Jahren junge Neonazis unter dem Label „Naturnser Hitlerjugend“ auf. Dies dürfte im Dorf selbst kaum unbemerkt geblieben sein, da es immer wieder zu Problemen und Übergriffen gekommen ist, die mit dieser Gruppe in Zusammenhang stehen. Erinnert sei an dieser Stelle an den mehr als missglückten Versuch einer Gruppe von Neonazis, maskiert und mit diversen Waffen ausgerüstet ein Konzert von alternativen und antifaschistischen Jugendlichen zu überfallen. Obwohl dieser Vorfall bereits einige Jahre zurückliegt, wurde schon damals deutlich, dass sich diese Gruppen weniger auf politische Arbeit im eigentlichen Sinne konzentrieren, als viel mehr auf gezielten Überfälle und Übergriffe auf ihnen unliebsame Personen. Gemessen an der Tatsache, dass bereits damals die Existenz verschiedener, mehr oder weniger gefestigter und aktiver neonazistische Jugendgruppen bekannt war, ist es nun umso mehr verwunderlicher, wie sehr manche RepräsentantInnen des öffentlichen Lebens von der Existenz ebensolcher Gruppen überrascht sind.
Prinzipiell ist es gut und richtig, dass diese Problem endlich öffentlich angesprochen und thematisiert wird, jedoch stellt sich die Frage, wieso dies so lange gedauert hat und die Verantwortlichen politischen Entscheidungsträger sich so überrascht mimen, wo doch seit Jahren die Notwendigkeit zu handeln gegeben war.
Die Antifa Meran warnt seit gut drei Jahren vor diesen Gruppen und die Gewalt, die von ihnen ausgeht. Nicht nachvollziehbar ist, dass es erst eine breite Berichterstattung in den Medien bedarf, um die Gesellschaft und allen voran die Politiker in den Gemeindestuben und dem Bozner Landtag endlich zum Handeln zu bewegen.
Ein weiteres und das vielleicht schon wichtigste Problem ist damit auch bereits angeschnitten: Handelt es sich bei diesem Aufschrei der Gesellschaft, Medien und Politiker wie so oft in den vergangenen Jahren um ein kurzes, schnelllebiges Strohfeuer, oder ist endlich die Bereitschaft vorhanden, eine konkrete Zielsetzung zur Bekämpfung der rechtsextremen Umtriebe im Burggrafenamt und Südtirol zu formulieren und diese auch umzusetzen?
Die teilweise überzogene und mit falschen Zahlen operierende Berichterstattung der Medien soll und kann nicht über diese Problem hinwegtäuschen. Die vielzitierte „Naturnser Hitlerjugend“ hat mit Sicherheit keine 70 bis 80 Mitglieder, wie von verschiedener Seite behauptet wurde, sondern höchstens 10-20. Die Gefahr, die von rechtsextremistisch ausgerichteten Jugendgruppen ausgeht, ist auch keine Frage der Quantität, sondern viel mehr ihrer programmatischen Ausrichtung und ihr Verhältnis zur Gewalt. Genau hier liegt der Hund begraben – diese Gruppen, die sich als „Hilterjugend“ organisieren sind weder politisch nennenswert aktiv, noch machen sie durch öffentliche Aktionen auf sich aufmerksam. Einzig und allein die Bekämpfung verschiedener unliebsamer Bevölkerungsgruppen steht im Fokus und dieses Ziel wird nicht durch politische Arbeit erreicht, sonder ausschließlich mit Gewalt.
Gefordert ist nun nicht nur die Politik, sondern auch die Gesellschaft. Künstliche Empörung und groß angekündigte Maßnahmen sind nichts wert, solange dem nicht auch Taten folgen. Viel zu lange wurde und wird die Jugend in Südtirol nur als Störfaktor empfunden. In einem Land, in dem der Tourismus eine maßgebliche Rolle für die Wirtschaft spielt scheint es keinen Platz für jugendliche Kultur und einem interessanten und umfangreiche Freizeitangebot zu geben. In vielen Gegenden Südtirols tendiert das Freizeitangebot für Jugendliche gegen Null. Die Unterstützung muss intensiviert werden. Zudem ist es unabdingbar, dass den Jugendlichen endlich Respekt entgegengebracht wird und sie an der politischen Gestalltungen des Landes teilhaben dürfen. Wie soll Jugendlichen der Wert demokratischer Werte nahe gebracht werden, wenn in Südtirol selbst die Demokratie immer wieder mit Füssen getreten wird? Hohle Phrasen von Demokratie und Freiheit nutzen nichts, wenn sie nicht selbst gelebt werden.
Aus all diesen Überlegenungen heraus fordert die Antifa Meran endlich konkrete Projekte und Maßnahmen zu ergreifen, zu denen unter anderem gehören:
- Die Förderung von direktdemokratischen Projekten: Jugendlichen muss der Wert von demokratisch getroffenen und legitimierten Entscheidungen gegenüber den totalitären Führerprinzip nahe gebracht werden. Hierfür ist die Organisation von Jugendlichen in basisdemokratisch organisierten Gruppen zu fördern und zu unterstützen. Dies kann auf gemeindepolitischer Ebene, in Jugendzentren oder den verschiedenen Vereinen der Fall sein. Erste wenn junge Menschen selbst aktiv Politik gestalten können und sie das Gefühl haben ernst genommen und verstanden zu werden, wird totalitären Ideen die Grundlage entzogen. Wer gelernt hat selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu leben und zu denken braucht keine Führer mehr.
- Ein umfassendes Freizeitangebot für Jugendliche: Südtirol hinkt im Bereich der Freizeitgestaltung anderen Regionen meilenweit hinterher. Jugendliche Kultur ist vielfältig und dementsprechend vielfältig muss auch das Freizeitangebot werden. Jede Jugendkultur muss die Möglichkeit besitzen ihren Lifestyle auszuleben. Dazu gehört die Möglichkeit in geeigneten Räumlichkeiten Feste, Partys und Konzerte zu veranstalten und diese frei von Repression und Stigmatisierung in der Öffentlichkeit durchzuführen. Der Fall des „Schools Out“ in Bozen sollte hierbei mahnendes Beispiel sein. Jahrelang lag nicht das Konzert selbst im Fokus der Medien, sondern einzig und allein der Alkoholgenuss der Konzertteilnehmer. Die Jugend wurde hierbei, wie so oft in Südtirol, in Sippenhaft genommen und als versoffener Haufen dargestellt, was in keinster Weise der Wahrheit entspricht.
- Die Förderung einer antirassistischen Jugendkultur: Immer wieder zeigt sich, dass die braunen Rattenfänger ihren Nachwuchs nicht durch politisch Überzeugungskraft gewinnen, als viel mehr durch Musik und subkulturelles Auftreten. Bestes Mittel dem entgegen zu treten ist die Förderung von nichtrassistischen Jugendkulturen, um der neonazistischen Erlebniswelt von vorneherein das Wasser abzugraben. Fällt diese zentrale Element neonazistischer Agitation weg, ist deren Attraktivität entscheiden geschwächt.
- Erhöhte Aufklärungsarbeit und die Einführung des Faches „Politische Bildung“ an Schulen: Nicht oft genug kann die hohe Bedeutung einer guten und umfassenden Aufklärungs- und Präventionsarbeit an Schulen und sonstigen öffentlichen Einrichtungen genannt werden. Informierte und aufgeklärte Jugendliche sind weitaus immuner für neonazistisches Gedankengut, als dies uninformierte Jugendliche sind.