Zum 70. Mal jährt sich jene Nacht, mit der die systematische Unterdrückung, Verfolgung und Ermordung jüdischgläubiger Menschen in ganz Europa begann. Das Gedenken daran ist mehr als notwendig, aber es allein reicht nicht aus.
Als "Reichskristallnacht" (engl.: "Night of Broken Glass") gingen die Ereignisse in der Nacht vom 9./10. November 1938 in die Geschichte ein, heute ist die Bezeichnung "Novemberpogrom" allgemein gültig weil treffender. Die Ausschreitungen waren mehr als bloße Sachbeschädigung, mehr als eingeschlagene Schaufensterscheiben, ausgebrannte Häuser und Synagogen. In dieser Nacht und den darauffolgenden Tagen wurde Jagd gemacht auf Jüdinnen und Juden, hunderte kamen unmittelbar zu Tode. Tausende wurden daraufhin in Konzentrationslager deportiert. Und genau dies macht die Denkwürdigkeit und Symbolträchtigkeit dieser Tage aus: Denn die Pogrome von 1938 markierten den Übergang von der Ausgrenzung und Diskriminierung der Juden hin zu systematischer Verfolgung und Massenmord. Der Auftakt zu Shoa und Holocaust.
Dieser Tage gibt es im ganzen deutschsprachigen Raum (außer in Südtirol, dort gedenkt man lieber der "Zerreißung Tirols") Gedenkveranstaltungen an die Novemberpogrome, die sowohl in Deutschland als auch in Österreich durchgeführt wurden. Oft aber bleiben diese Veranstaltungen nur Erinnerungen an Vergangenes, ohne dass sie in den Kontext des Hier und Jetzt der Gegenwart gesetzt würden. Ohne dass ganz aktuelle Entwicklungen miteinbezogen werden: Gedenkveranstaltungen, in denen die Wörter "Antisemitismus" und "Rassismus" ein einziges Mal fallen. Dabei gäbe es allen Grund zur Kritik.
Israel beispielsweise, dem von iranischen Regierungs- und Religionsvertretern regelmäßig die Existenz aberkannt und als "Krebsgeschwür" bezeichnet wird. Ohne die Siedlungspolitik der Israelis in irgend einer Weise in Schutz nehmen zu wollen, aber in diesem Punkt bedarf es große Solidarität mit dem israelischen Volk und politische Agitation gegen den Iran, dessen Atomprogramm immer noch ohne Einsicht der internationalen Behörden weiterläuft. Und mit dem europäische Konzerne munter Geschäfte machen, wie jetzt gerade die österreichische ÖMV. (Infos dazu hier.)
Gedenkveranstaltungen müssen immer dazu dienen, mit dem Wissen der Ereignisse von gestern den Blick auf heutige Entwickungen schärfen zu können. Und wenn gestern gegen die jüdische Minderheit mobil gemacht wird (bis zu einem unvorstellbaren Grad), so sind es heute andere Minderheiten, die gerade in Zeiten, in denen das Geld knapp wird, als Sündenböcke herhalten müssen. Das Gedenken an die von den Nazis Dahingemordeten ist ein guter Anlass, um bestimmte politische Positionen kritisch zu hinterfragen und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen entgegenzusteuern. Das sind wir ihnen schuldig.
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