Ein Zitat und seine Geschichte: „Politische Flüchtlinge ja, Illegale nein“ (Luis Durnwalder, 4. April 2011)
Wie drastisch sich die Debatte über Migration und vor allem Einwanderung in Europa in den letzten Jahrzehnten verändert hat, lässt sich exemplarisch an diesem Beispiel festhalten. Die zwei Achsen der Unterscheidung "politisch - wirtschaftlich" und "legal - illegal" sind dabei nur eine weitere Facette einer Debatte, der es primär um Selektion und Ausgrenzung geht.
1. Kriegsflüchtling
Im Europa der unmittelbaren Nachkriegszeit war Mirgation ein Alltags- und Massenphänomen - sowohl was die Binnenmigration betrifft, als auch die Ein- und Auswanderung: Während Millionen von Nazifaschismus und Krieg Vertriebene wieder zurückkehrten, wanderten viele aufgrund der ökonomischen Perspektivlosigkeit nach Amerika und Australien aus. Wenn von "Flüchtlingen" die Rede war, waren allgemein Kriegsflüchtlinge gemeint.
2. Boat people-Flüchtlinge
In den 70er-Jahren bekam der Begriff vor dem Hintergrund einer neuen ökonomischen und geopolitischen Situation eine andere Bedeutung. Während sich die Wirtschaft ebenso wie die Migrationsbewegungen in Mitteleuropa konsolidiert hatten, löste das Ende des Vietnam-Krieges eine massive Flüchtlingswelle aus. Tausende flohen nach dem Sieg Nordvietnams über den Seeweg. Diese "boat people" prägten den Flüchtlings-Begriff, der auf eine paternalistische Art noch positiv konnotiert war, was der Blockkonkurrenz des Kalten Krieges geschuldet war.
3. Asylant
In den 80er-Jahren jedoch breitete sich ein neuer Begriff explosionsartig in den Medien aus: die "Asylanten". Während beim "Flüchtlings"-Begriff die Gefahr als Auslöser der Flucht betont wird, verschiebt sich der Fokus komplett beim "Asylanten"-Begriff: Die Ursachen der Migration geraten gewollt aus dem Blick. Die Gruppe der Flüchtlinge wurde zweigeteilt in positiv konnotierte Ost-Flüchtlinge (vorgestellt als weiß, individuell, wirklich verfolgt, kulturell verwandt, integrationsfähig) und negativ konnotierte Süd-Flüchtlinge/"Asylanten" (vorgestellt als farbig, massenhaft, nicht wirklich verfolgt, kulturell fremd, integrationsunfähig). Der Effekt war also die Zuweisung der Ost-Flüchtlinge zu der Wir-Gruppe und jene der Süd-Asylanten zu der Fremd-Gruppe (vgl. Jürgen Link 2008, 73).
4. Illegaler Einwanderer
In den 90er-Jahren nahm der Migrations-Diskurs eine neue Wende: Vor allem konservative "Law-and-order"-PolitikerInnen verbanden das Thema Migration mit jenem der Sicherheit. Mit der Konstruktion der Feindbilder "illegale Einwanderung" und "organisierte Kriminalität" wurde Stimmung gemacht gegen die angebliche Gefahr etwa der "Ost-Banden". Gleichzeitig wurden die Asylgesetze in Europa im Zuge der EU-weiten Grenzpolitik flächendeckend verschärft, was die Möglichkeiten von legaler Einreise und Aufenthalt drastisch einschränkte. Das Gerede von den "illegalen Einwanderern" ist also nicht nur zynisch, da diese ja gerade deshalb illegal einreisen, weil sie dazu gezwungen werden. "Das Wort "illegal" setzt darüber hinaus eine Assoziationskette in Gang, die zusätzlich ausgrenzt: zu oft ist es schon gemeinsam mit Bedrohungszenarien und Kriminalitätsängsten ausgesprochen und geschrieben worden. Wer denkt bei "illegal" schon an die Ungerechtigkeit, dass Menschenrechte eben doch teilbar sind?" (deserteursberatung.at) Nicht von "illegalen" Flüchtlingen, sondern von "illegalisierten" Flüchtlingen muss also gesprochen werden.
Quelle: Link 2008 in Jäger, "Wie kritisch ist die Kritische Diskursanalyse"
giovedì 14 aprile 2011
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