Tomas Konicz betont den Zusammenhang mit der rigorosen Sparpolitik der konservativen Cameron-Regierung:
Das Kabinett Cameron hat kurz nach Amtsantritt eines der schwersten Austeritätsprogramme der britischen Geschichte beschlossen. Es sieht Haushaltskürzungen in Höhe von 83 Milliarden Pfund (ca. 95 Milliarden Euro) bis 2015 vor. Ein großer Teil der Ausgabenkürzungen, mit dem das Haushaltsdefizit von mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) eines einzigen Jahres (2010) abgebaut werden soll, entfällt auf den Sozialsektor.Die Perspektiven heben drei Aspekte hervor, die in den öffentlichen Darstellungen unberücksichtigt bleiben: Rassismus, praktiziert von Staat und Polizei; Arbeitslosigkeit und Armut sowie Selbstermächtigung.
Diese Einschnitte – bei denen u.a. die Aufwendungen für Kindergeld, Jugendförderung oder Wohnzuschüsse gekürzt wurden – treffen die verarmten und unter hoher Arbeitslosigkeit leidenden Stadtteile und Regionen des Vereinigten Königreichs ... besonders hart: »Es wird Unruhen geben«, warnte ein Jugendlicher aus dem Londoner Stadtteil Tottenham gegenüber dem Guardian schon im Juli. Gerade waren nahezu alle Jugendclubs dort aus Geldmangel geschlossen worden. Von dem rabiaten Kahlschlag im öffentlichen Dienst, dem in den nächsten vier Jahren mehr als 400000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen sollen, sind landesweit Jugendhilfsprojekte überdurchschnittlich stark betroffen, beklagte der Gewerkschaftler Kerry Jenkins: »Jede vierte Einrichtung (»youth service«) in England sieht sich mit katastrophalen Kürzungen zwischen 21 bis 30 Prozent konfrontiert.« Dies sei dreimal höher als des sonstige Kürzungsniveau im Kommunalbereich. An die 3000 Jugendbetreuer werden nicht mehr bezahlt und müssen gehen. (Thomas Konicz, Junge Welt 13.8.2011)
1. Es geht um Rassismus. Ausgangspunkt und Anlassfall für die Riots im Londoner Stadtteil Tottenham war der Mord an Mark Duggan – das ist kein Zufall. Polizeibrutalität, zahllose unaufgeklärte Todesfälle in Polizeigewahrsam („Deaths in Custody“) und die permanente Erniedrigung durch rassistische Stop and Search-Methoden in armen, überwiegend von Nicht-Weißen bewohnten Vierteln hat den Hass auf die Polizei seit vielen Jahren angefeuert. ...
2. Es geht um Klassenverhältnisse. ... Die enormen Einkommensunterschiede, Arbeitslosigkeit und Armut produzieren Generationen von Menschen ohne soziale Perspektive. Das gigantische Sparprogramm der Tory-Regierung wird diese Dynamik weiter verschärfen, und hat es teilweise bereits getan. Ähnlich wie bei den Aufständen in den französischen Banlieues oder den Revolten in Griechenland Ende 2008 bricht sich hier Wut über eine Klassenposition bahn, die ihren InhaberInnen nichts zu bieten hat als Angst, Orientierungslosigkeit und Langeweile.
3. Es geht um Selbstermächtigung. ... Vielleicht verstehen viele Menschen in den Sackgassen des Kapitalismus nicht mehr, warum das was ihnen gehört so wenig und schäbig ist, während andere so viel besitzen. Nicht weil sie kulturlose Barbaren oder Kriminelle wären, sondern weil ihnen die materiellen Verheißungen der Marktwirtschaft ständig wie die Karotte vor die Nase gehalten wird, ohne dass sie ihnen jemals – auf legalem Wege – näher kommen könnten. (Perspektiven Online, 11.8.2011)
gewalt erzeugt gegengewalt...
RispondiEliminavielleicht ganz passend dazu (Auszug von http://www.nachdenkseiten.de/?p=10448)
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Es ist eine spannende und zugleich sehr ernste Frage, wie die herrschenden Kreise auf den Widerstand reagieren werden. Wer an die Gültigkeit von guten konservativen Werten glaubt, wer auf das rechtsstaatliche Gewissen der herrschenden Kreise und auf einen wirksamen Rest an demokratischem Bewusstsein vertraut, wird darauf bauen, dass die herrschenden Kreise im Ernstfall rechtsstaatlich und nicht andeutungsweise so reagieren wie der syrische Präsident.
Ich bin dessen nicht sicher. Wer so zulangt, wie die Finanzwirtschaft beim Steuerzahler zugelangt hat, wer so viel zu verlieren hat wie die Superreichen, wird auch bei uns bereit sein, seine Privilegien mit allen Mitteln zu verteidigen. Wie das geht, konnten wir und können wir in Großbritannien sehen:
* Der Protest wird kriminalisiert. Dafür gibt es immer berechtigten Anlass, weil sich unter die Demokraten, die empört sind und Widerstand leisten, immer auch solche Menschen, die man als kriminell bezeichnen könnte, mischen.
* Der Protest wird gespalten. Auch das ist relativ leicht, wie man in Großbritannien sehen konnte und kann. Es ist nicht schwierig, jene, denen es ganz miserabel geht, gegen Ladenbesitzer und Mittelständler in Stellung zu bringen.
* Mithilfe der verfügbaren Medien wird Stimmung gegen den Protest gemacht. Hart durchzugreifen wird populär. In Großbritannien können wir mit Spannung beobachten, ob der Bruch der herrschenden Kreise mit dem Medienunternehmer Murdoch bestehen bleibt oder angesichts des Aufstands der Straße gekittet wird. Bei uns werden die Bild-Zeitung und das Fernsehen und der Spiegel und viele Medien mehr sich gegen jene wenden, die „fünf Minuten vor 12“ vor dem Kanzleramt oder dem Reichstag protestieren. Den riesigen Einfluss der Finanzwirtschaft können wir zur Zeit jeden Abend in den Fernsehsendungen bestaunen. Da wird, so als sei nichts geschehen, Stimmung für Spekulation und Aktienmärkte gemacht. Ein untrügliches Indiz für die Verwobenheit dieser Medien mit den Interessen der Finanzwirtschaft.
* Das polizeiliche Potenzial wird ausgebaut und steht zur Verfügung. Der Angriff mit den Wasserwerfern in Stuttgart und die Weigerung der politisch Verantwortlichen, sich für die Verletzung eines älteren Menschen zu entschuldigen, sind Zeichen für die zu erwartende Brutalität.
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Natürlich sind die Aufstände auf soziale Unruhen und Ungerechtigkeiten zurückzuführen. Wie immer kriegen es die niedere Mittelschicht und ganz speziel die Uterschicht.Da gebe ich allen hier Recht. Warum müssen wir alles bezahlen, wir die wir nicht viel haben und die reichen Säcke können weiter ihre Kohle einstecken.
RispondiEliminaDoch haben meiner Ansicht die Aufstände wenig mit einem wirlichem politischen Wiederstand zu tun, viel mehr eine Gelegenheit einen neuen Fernseher abzustauben.
Um was für eine revulutionäre Handlung soll es sich hierbei handeln wenn man gegen die Ausbeutung der Unterschiecht mit dem Anzünden der Geschäfter und Läden eben dieser, der eigenen Klasse angeht? Ich finde diese Aktionen KONTRAREVOLUTIONÄR. Man schürt die Wut des Volkes gegen alle die für die Rechte des Volkes kämpfen. Man gibt dem Staat ein hervorragendes Mittel die linke politische Szene als Volksfeind darzustellen.
Deshalb kann ich den anderen hier in diesem Blog nicht zustimmen und diese Aufstände legitimieren oder sogar gutheißen. Diese unüberlegten Aktionen. OHNE FESTGELGTES POLITISCHES ZIEL stehen uns im Weg. Wenn man eine Aktion desgleichen machen will, muss dies mit klaren politischen Forderungen und ohne Schädigung an der eigenen Klasse, sondern muss sich gegen Finanzzentren (Banken, Großkonzerne), Kontrollorgane, oder staatliche Institutionen richten.
in diesem blog-beitrag geht es nur darum, verständlich zu machen, wo die ursachen für die ausschreitungen liegen - und die sind politisch.
RispondiEliminaansonsten sind sie natürlich wenig zielführend. ich halte es mit zizek:
Es handelt sich um enttäuschte Konsumenten, die einer perversen Form des Konsums, einem Karneval der Zerstörung, nachgehen.
http://www.zeit.de/kultur/2011-08/slavoj-zizek-interview