Es ist wohl die stille Macht der Gewöhnung, dass in Südtirol bestimmte politische Äußerungen als normal gelten, die anderenorts für Empörung sorgen würden. Es hat wohl auch mit den historischen Entwicklungen zu tun, dass viele das rechte Auge gern mal zudrücken. Mit der radikalen Haltung, die die Freiheitlichen in der jüngsten Debatte einnehmen, führen sie ihren harten Kurs fort und sind damit in Europa nicht allein. Doch während sie damit bei vielen - auch der SVP - auf zögerlichen Widerspruch stoßen, nennt niemand das Problem beim Namen: Die Freiheitlichen sind Sprachrohr und Verstärker eines weit verbreiteten Rassismus in Südtirol, der sich quer durch die Gesellschaft zieht. Mit ihrer nationalistischen Politik greifen sie Stereotype auf und verbreiten sie.
In ihrer Stellungnahme wird ihre unverblühmte Menschenverachtung offensichtlich: Immigration nur bei ökonomischer Verwertbarkeit, finanzielle Benachteiligung aufgrund ethnischer Kriterien, Propagierung der brutalen Abschiebepraxis, Einschränkung der Religionsfreiheit, kulturelle Umerziehung und Gehirnwäsche ("Kurse in Geschichte, Kultur und Tradition"). Hier einige Auszüge:
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Die Ausgaben für den öffentlichen Gesundheitsdienst und für soziale Leistungen sind genauestens zu kontrollieren, damit Verschwendung und Missbrauch vermieden werden.
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Illegale und straffällige Ausländer sind umgehend auszuweisen.
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Ausländern, die aufgrund objektiver Kriterien keine Chance haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist die Aufenthaltserlaubnis zu verwehren.
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Asyl- und Drogenmissbrauch sind wirksam zu bekämpfen.
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Der Bau von Moscheen ist in Südtirol nicht erlaubt, weil diese nicht selten [!] Zentren des politischen Unterrichts und politischer Lehren sind, auf denen der fundamentale Islamismus gründet.
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Es ist darauf zu achten, dass keine kranken und arbeitsunfähigen Personen ins Land nachgeholt werden.
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Verpflichtende Elternkurse in Sachen Landesgeschichte, Sprache, Kultur und Tradition.
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Zur Wahrung des Volksgruppenschutzes [!] und der geltenden Autonomiebestimmungen sind verpflichtende Sprachtests für Ausländer auch in deutscher Sprache (und in den ladinischen Gemeinden in ladinischer Sprache) vorzusehen
Die inhaltliche Vorgehensweise ist immer die selbe, und unterscheidet sich nicht von anderen rechtspopulistischen Parteien wie der Lega Nord oder FPÖ:
- Es wird eine Gruppe als einheitlich und homogen dargestellt, sowie in klarer Abgrenzung zu der Mehrheits-Gruppe; das Schema ist immer wir/das Eigene gegen sie/das Andere.
- Die so gekennzeichnete Gruppe ("Ausländer") wird kriminalisiert und negativ dargestellt, indem sie in Verbindung mit Kriminalität, Drogen, religiösen Fundamentalismus etc. gebracht wird.
- Ökonomische und soziale Faktoren werden biologisiert und stattdessen durch ein unveränderliches "Wesen" erklärt (die "Ausländer" sind faul, kriminell etc.)
- Die andere Gruppe wird als das Übel schlechthin dargestellt; ökonomische Verteilungsfragen werden zu einer Frage der Nationalität.
Die Aussicht ist düster; denn auch wenn Südtirol noch immer eine sehr reiche Region ist, nimmt die Armut hierzulande stetig zu (15% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze!). Die Folgen der Wirtschaftskrise sind auch in Südtirol spürbar: Als stark exportorientiertes Land (Tourismus und Landwirtschaft) ist es von der ökonomischen Entwicklung vor allem in Italien und Deutschland abhängig. Nur jemand mit dem Horizont eines Goldfisches kann glauben, ein "Los von Rom" würde Südtirol von den ökonmischen Verwerfungen bewahren - die Ausrichtung der Südtiroler Wirtschaft auf den europäischen Markt bedeutet eben auch eine Abhängigkeit von diesem. Schon jetzt spürt Gastronomie und Hotellerie in Südtirol den Rückgang italienischer Gäste schmerzhaft.
Die Wirtschaftskrise meldet sich zurück. Die Freiheitlichen sind die einzigen, die die soziale Frage (nach der Verteilung finanzieller Ressourcen) behandelt - jedoch auf eine verquerte und nationalistische Art und Weise. Sie präsentieren sich als Vertreter der einfachen Leute, vertreten dabei jedoch genau jene neoliberale Position des "freien Marktes", welche die Ungleichheit massiv verstärkt hat und sich gegen die Interessen von Lohnabhängigen, Angestellten und Arbeitslosen richtet. Gleichzeitig wettern sie gegen den Polizeistaat und die Zunahmen von Kontrolle und Repression, sind es aber gerade selbst, die bei ihrer rassistischen Hetze für mehr Kontrolle, polizeiliche Überwachung und einen starken Polizeiapparat einstehen: Mit ihrem Geschwafel von angeblich massivem Drogenkonsum, Sozialmissbrauch etc. wird Überwachung und autoriäre Praxen durch die Hintertür eingefordert.
Angesichts all dessen fordern wir, dass mit dieser rassistischen Hetze vonseiten der Freiheitlichen endlich Schluss sein muss! Wir bekräftigen wir unser Einstehen für Bewegungsfreiheit und Bleiberecht als fundamentales Menschenrecht und erklären, dass wir die Werte von Antifaschismus und Freiheit hochhalten und - angesichts stärker werdenden autoritären Tendenzen in ganz Europa - mit allen Mitteln verteidigen werden.