Was ist so schlimm an Michael Demanegas Sager an einer Oberschule in Schlanders? "Wir waren zuerst da. Wir überlassen Südtirol nicht diesen Dahergelaufenen.", soll er gesagt haben, oder nach seiner Version: "Wir können Einheimische nicht gleich behandeln, wie jeden Dahergelaufenen…" Gehört es nicht zum guten Ton, andere Meinungen zu tolerieren und diese anzuhören? Gehört das nicht zu Anstand und Meinungsfreiheit, wie Demanega einfordert?
Wir sollten aufpassen, dieser Sicht vorschnell zuzustimmen und uns fragen, warum gerade in letzter Zeit die Meinungsfreiheit so oft ins Spiel gebracht wird, wenn es um Rechtspopulismus und Neofaschismus geht. Denn: Warum müssen wir diese Diskussion überhaupt führen? Sollte es nicht klar sein, dass solche Ansichten unangebracht sind? Ist das nicht schon ein Indiz dafür, wie sehr sich der Rahmen von dem verschoben hat, was in der Politik gesagt werden darf und was nicht? Was früher im besten Fall nach der Sperrstunde unter Kameraden gesagt wurde, wird heute von Anzugträgern im Parlament vertreten. Ernsthaft und überzeugt.
Die jüngsten Äußerungen von Berlusconi und Biancofiore sind nur ein weiterer Versuch von vielen, die Grenze der legitimen politischen Äußerung nach rechts zu verschieben. Nur zur Erinnerung: Im Jahr 2006 hat er die Parlamentswahlen mit einem Bündnis gewonnen, das von den Christdemokraten über Forza Nuova bis zu den faschistischen Schlägern des Veneto Fronte Skinhead auf den Listen der Fiamma Tricolore reichte. Seine Strategie ist die des kalkulierten Skandals: Er wagt sich mit Äußerungen vor, wartet die Reaktion ab, und rudert eventuell etwas zurück. Der Schaden ist dann aber schon angerichtet.
Etwas anders verhält es sich mit der Meinungsfreiheit: Wir sollten uns voll und ganz den Grenzen dieses Prinzips bewusst sein. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist eine formelle Regel, sie ist ihrem Inhalt gegenüber neutral: Alles kann eine Meinung sein, von kulinarischen Vorlieben bis hin zur Vorstellung, Jüdinnen und Juden ließen sich an ihrer Schädelform erkennen (und dann eliminieren).
Liberale argumentieren hier, dass es auch noch andere Prinzipien gibt (Recht auf Unversehrtheit, Wahrung der Würde, etc.), die miteinander abgewogen werden müssen. Aufschlussreicher ist die Ansicht, dass Gesellschaft und Politik nur funktionieren können, wenn es einen Konsens darüber gibt, was gesagt und getan werden kann und was nicht - was also zum Bereich der legitimen Ansichten gehört. Nur in diesem Rahmen ist Meinungsfreiheit möglich. Wir teilen eine Fülle von Grundannahmen über die Art des Zusammenlebens, die das Fundament der Kommunikation darstellen: Mit einem überzeugten Nationalsozialisten wird ein Gespräch über Minderheitenschutz sehr schnell zu Ende sein, weil der Konsens darüber fehlt.
Was heißt das für den Fall Demanega? Wir sollten sehr aufmerksam sein, wenn heute in unseren hyperliberalen Gesellschaften die Meinungsfreiheit eingefordert wird. Dies ist ein sicheres Indiz dafür, dass es gerade nicht um Meinungen geht (Ansichten innerhalb des Konsenses), sondern um die Verschiebung der Prinzipien des Konsenses. Es ist eine weitere Strategie, die Grenzen des Sagbaren in eine bestimmte Richtung hin (Rassismus) zu öffnen. In dieselbe Richtung geht die Taktik, sich als Stimme des Volkes zu präsentieren, die nur sagt, "was die Leute denken". Hier gilt nur festzuhalten, dass "die Leute" sehr viel denken, was zum Glück aber keinen Platz in der Politik hat.
Die Antwort auf solche Versuche muss sein, dass wir das, was am Konsens unserer Gesellschaft gut ist, vehement verteidigen und darauf bestehen, dass Rassismus und Faschismus keine legitimen Meinungen sind, über die wir nicht bereit sind, überhaupt erst zu diskutieren. Das heißt auch, dass wir uns mit Leuten, von denen solche Äußerungen zu erwarten sind, erst gar nicht an einen Runden Tisch setzen: Was gibt es mit Leuten zu diskutieren, die "Einheimische zuerst" fordern und Deutsche oder Weiße meinen, wenn sie "Einheimische" sagen?
Langfristig müssen wir einen Konsens schaffen, der auf den Werten der Gleichheit und Freiheit beruht und ein gutes Leben für alle zum Ziel hat. Eine Leitkultur also, die nicht auf Sprache, Herkunft oder Religion gegründet ist, sondern auf Solidarität und Gemeinschaft von Gleichen. Wir sollten nicht immer noch über Sexismus, Rassismus, Armut und Ausbeutung diskutieren und argumentieren müssen. Es sollte sich von selbst verstehen. Und Leute wie Demanega sollte nicht gehört werden. Weil es sich nicht gehört.
Die jüngsten Äußerungen von Berlusconi und Biancofiore sind nur ein weiterer Versuch von vielen, die Grenze der legitimen politischen Äußerung nach rechts zu verschieben. Nur zur Erinnerung: Im Jahr 2006 hat er die Parlamentswahlen mit einem Bündnis gewonnen, das von den Christdemokraten über Forza Nuova bis zu den faschistischen Schlägern des Veneto Fronte Skinhead auf den Listen der Fiamma Tricolore reichte. Seine Strategie ist die des kalkulierten Skandals: Er wagt sich mit Äußerungen vor, wartet die Reaktion ab, und rudert eventuell etwas zurück. Der Schaden ist dann aber schon angerichtet.
Etwas anders verhält es sich mit der Meinungsfreiheit: Wir sollten uns voll und ganz den Grenzen dieses Prinzips bewusst sein. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist eine formelle Regel, sie ist ihrem Inhalt gegenüber neutral: Alles kann eine Meinung sein, von kulinarischen Vorlieben bis hin zur Vorstellung, Jüdinnen und Juden ließen sich an ihrer Schädelform erkennen (und dann eliminieren).
Liberale argumentieren hier, dass es auch noch andere Prinzipien gibt (Recht auf Unversehrtheit, Wahrung der Würde, etc.), die miteinander abgewogen werden müssen. Aufschlussreicher ist die Ansicht, dass Gesellschaft und Politik nur funktionieren können, wenn es einen Konsens darüber gibt, was gesagt und getan werden kann und was nicht - was also zum Bereich der legitimen Ansichten gehört. Nur in diesem Rahmen ist Meinungsfreiheit möglich. Wir teilen eine Fülle von Grundannahmen über die Art des Zusammenlebens, die das Fundament der Kommunikation darstellen: Mit einem überzeugten Nationalsozialisten wird ein Gespräch über Minderheitenschutz sehr schnell zu Ende sein, weil der Konsens darüber fehlt.
Was heißt das für den Fall Demanega? Wir sollten sehr aufmerksam sein, wenn heute in unseren hyperliberalen Gesellschaften die Meinungsfreiheit eingefordert wird. Dies ist ein sicheres Indiz dafür, dass es gerade nicht um Meinungen geht (Ansichten innerhalb des Konsenses), sondern um die Verschiebung der Prinzipien des Konsenses. Es ist eine weitere Strategie, die Grenzen des Sagbaren in eine bestimmte Richtung hin (Rassismus) zu öffnen. In dieselbe Richtung geht die Taktik, sich als Stimme des Volkes zu präsentieren, die nur sagt, "was die Leute denken". Hier gilt nur festzuhalten, dass "die Leute" sehr viel denken, was zum Glück aber keinen Platz in der Politik hat.
Die Antwort auf solche Versuche muss sein, dass wir das, was am Konsens unserer Gesellschaft gut ist, vehement verteidigen und darauf bestehen, dass Rassismus und Faschismus keine legitimen Meinungen sind, über die wir nicht bereit sind, überhaupt erst zu diskutieren. Das heißt auch, dass wir uns mit Leuten, von denen solche Äußerungen zu erwarten sind, erst gar nicht an einen Runden Tisch setzen: Was gibt es mit Leuten zu diskutieren, die "Einheimische zuerst" fordern und Deutsche oder Weiße meinen, wenn sie "Einheimische" sagen?
Langfristig müssen wir einen Konsens schaffen, der auf den Werten der Gleichheit und Freiheit beruht und ein gutes Leben für alle zum Ziel hat. Eine Leitkultur also, die nicht auf Sprache, Herkunft oder Religion gegründet ist, sondern auf Solidarität und Gemeinschaft von Gleichen. Wir sollten nicht immer noch über Sexismus, Rassismus, Armut und Ausbeutung diskutieren und argumentieren müssen. Es sollte sich von selbst verstehen. Und Leute wie Demanega sollte nicht gehört werden. Weil es sich nicht gehört.
Stimme zu!
RispondiEliminaHerzlichen Dank für diesen großartigen Artikel, der wunderbar zusammenfasst und darstellt, was als richtig gute Antwort auf das passt, was derzeit in vielen Diskussionen aufs Tapet kommt. Ich schließe mich dem Geschriebenen voll an. Barbara
RispondiEliminaNaja.. vielleicht sollten wir alle unseren Wohlstand einfach teilen... wir haben doch genug verdammt noch mal...
RispondiEliminaerst wenn jeder Mensch auf allen Kontinenten die gleichen erwartungen an sein leben haben kann herrscht gerechtigkeit!!!! Also Demanega lass nciht arme zuwanderer für deinen Reichtum "bezahlen"
Stimme teilweise zu...aber wer legt diesen "Konsens was gesagt werden darf und was nicht fest" ...???
RispondiElimina@ anonimo 13:14
RispondiEliminaGute Frage. Der Konsens ist das Resultat von Debatten und Kämpfen, in der Politik, den Medien und der Zivilgesellschaft. Harte Arbeit also (die Freiheitlichen geben sich sehr viel Mühe, ihre Positionen "salonfähig", also politisch sagbar zu machen).
Es könnten drei Ebenen unterschieden werden, auf denen über diesen Konsens gerungen wird:
1. der Alltagsverstand (common sense)
2. die Parteien, Medien und Institutionen (Öffentlichkeit)
3. der juristische Rahmen (Recht)
Zudem kann in dieser Auseinandersetzung unterschieden werden zwischen der Legitimität einer Äußerung (innerhalb/außerhalb des Sagbaren) und der Relevanz (welchen Stellenwert hat eine Äußerung).
Ausgezeichnete Analyse der Problematik. Wir dürfen nicht den Fehler wiederholen, der Intoleranz gegenüber tolerant zu sein, indem wir Voltaires "ich verachte deine Meinung, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass du sie äußern kannst" aus dem geschichtlichen Kontext reißen. Wer sich nicht an die Werte der Toleranz hält, wie sie in der Verfassung, den EU- und internationalen Verträgen sowie der UNO-Charta (Meinungs, Religions-, Vereinsfreiheit; Gleichheit unabhängig von Rasse, Herkunft etc.; Schutz der Minderheiten) festgeschrieben sind, darf diese Werte für sich nicht unbeschränkt in Anspruch nehmen dürfen! Andernfalls besitzt dieses Subjekt eine (logischen) Vorteil gegenüber allen anderen Akteuren, die sich an die Rahmenbedingungen halten. Dies gilt selbstverständlich auch gegenüber religiösen Fanatikern, wie jene, die in Mali der wehrlosen Bevölkerung ihre Vorstellungen von Staat und Religion aufzwängen wollen.
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