Wie jedes Jahr seit 1952 wurde Ende
Jänner in Wien ein Ball für die deutschnationalen schlagenden
Burschenschaften organisiert. Dieser Ball, bis vor zwei Jahren noch
unter dem Namen WKR Ball (Wiener Korporations-Ball) organisiert und
seitdem mit tatkräftiger Unterstützung der FPÖ unter dem
Deckmantel " Akademiker Ball" weitergeführt, ist ein
Traditionsball der extremen europäischen Rechten. Die Gästeliste
reicht dabei von deutschnationalen Burschenschaftern wie etwa Olympia
- Mitglied Martin Graf bis hin zur europäischer Rechtsprominenz wie
Marie Le Pen (2012).
Neben der Kritik an einem Treffen der
Ewiggestrigen rückt beim WKR Ball nicht zuletzt auch der Ort des
Treffens ins Zentrum der Kritik. War es doch in der Wiener Hofburg
(am Heldenplatz) wo Hitler 1938 die Annexion Österreichs an das
dritte Reich deklarierte.
Seit 2009 gibt es Versuche dem rechten
Treiben auf eine organisierte Art Einhalt zu gebieten.
Antifaschist_Innen aus den verschiedensten Lagern versuchen seither
um durch Demonstrationen und Blockaden dem rechten Recken den Zugang
in die Burg so schwer als möglich zu machen. Mit nicht zu
verkennenden Erfolg. Konnte der Ball 2009 noch rund 1800
Besucher_Innen verzeichnen, ist die BesucherInnenzahl seither Jahr um
Jahr gesunken um schließlich auf das diesjährige Rekordtief von ca.
400 Gästen zu fallen (1500 nach Angabe der FPÖ).
Soweit der Hintergrund.
Zu den diesjährigen Ereignissen gibt
es in verschiedenen Medien ausreichend Dokumentationen, darum möchte
ich nur kurz darauf eingehen um daraus einige Schlüsse zu ziehen.
Die Polizei hat im Vorfeld zu den
diesjährigen Aktionen massiv agiert um ein öffentliches
Angstklima zu schaffen. Schon Wochen vor den Demonstrationen gab
es bereits Pressekonferenzen und generische Warnungen vor "linken
Terroristen", "Ausschreitungen" , "Chaoten"
sowie "Gewalttouristen aus dem Ausland" von Seiten der
Polizei (auf die mediale Hetze der FPÖ möchte ich erst gar nicht
eingehen). Eine Gefahrenzone mit Aufenthaltsverbot
wurde um die Hofburg eingerichtet. Ein striktes Vermummungsverbot
(u.a. das Tragen von Schals wurde untersagt) wurde erlassen und eine
angemeldete Kundgebung von KZ Überlebenden untersagt. Alles
wurde daran gesetzt durch mediale Hetze und Repression Aktivist_Innen
möglichst einzuschüchtern und dadurch von den Aktionen
fernzuhalten. Das Gegenteil ist passiert.
Rund 6000 Menschen haben sich in zwei
verschiedenen Demonstrationszügen gesammelt. Dabei war eine
Demonstration (NOWKR Bündnis) eher Autonom geprägt, während die
andere (OGR Bündnis) die gemäßigteren Gruppen des
Antifaschistischen Spektrums sammelte. Beide Demonstrationen sind
gleichzeitig von verschiedenen Punkten gestartet um sich am
Stephansplatz zu treffen. Aktuelle Ereignisse wurden dabei mittels
Twitter und Lifeticker kommuniziert (z.B. http://ticker.raw.at/). Auf
Radio Orange konnten die Ereignisse ebenfalls mit verfolgt werden.
Die Demonstration des OGR Bündnisses
war dabei etwas früher am Stephansplatz angelangt als der NOWKR
Demozug. Teile des OGR Zuges haben sich umgehend nach
Demonstrationsschluss aufgeteilt um verschiedene Zugänge zur Hofburg
durch Blockaden (z.B. Menschenketten) für die Burschenschafter
unpassierbar zu machen. Zeitgleich kam es bei der NOWKR Demonstration
zu einzelnen Ausschreitungen die am Stephansplatz/Graben (dem
bürgerlichen Shopping-Zentrum Wiens) gipfelten. Die Polizei war
dabei vollkommen unvorbereitet auf das gezielte und koordinierte
Vorgehen des autonomen Blocks, der die vorhandene Polizeikette
mit Leichtigkeit durchbrechen konnte. In den darauf folgenden ca. 10
Minuten wurden eine Bank, einige Geschäfte sowie eine Polizeiwache
massiv angegriffen. Als schließlich eine Hundertschaft an
Polizist_Innen am Graben eintraf um Ihren Kolleg_Innen zur Seite zu
stehen, hatte sich der Block großteils schon wieder aufgelöst und
war für die Polizei nicht mehr greifbar.
Währenddessen haben andere Gruppen
erfolgreich mehrere große Zufahrtsstraßen zur Hofburg blockiert.
Da ein Großteil der Einsatzkräfte sich auf die Ereignisse um den
Graben konzentrieren musste, konnten die Blockadepunkte
vergleichsweise ungestört erreicht und besetzt werden.
Im Späteren Verlauf des Abends hat die
Polizei mehrere Blockaden eingekesselt sowie Schlagstöcke und
Pfefferspray gegen Blockierer_Innen eingesetzt, die mit den
Ereignissen im Vorfeld in den meisten Fällen keinerlei Verbindung
hatten. Gleichzeitig gab es vereinzelt (strategisch vollkommen
zweckfreie) Angriffe auf Polizist_Innen sowie Polizeiwägen.
Einige Personen haben sich im Verlauf
des späteren Abends in die Universität für Bildende Künste
zurückgezogen und wurden von der Polizei dorthin verfolgt. Die
Rektorin der "Bildenden" hat dabei vorbildlich mit der
Polizei verhandelt und dadurch eine weitere Eskalation verhindert.
Es gab im Laufe des Abends mehrere zum
Teil sehr aggressive Verhaftungen. Mit Morgen des 25.01. saßen noch
mindestens 9 Personen im Polizeianhaltezentrum fest.
Ich denke es können einige Schlüsse
aus den Ereignissen des 24.01. gezogen werden:
1. Die Blockaden funktionieren.
Die Besucher_Innenzahlen sinken jährlich, die Strategien der FPÖ
und der Polizei werden mit jedem Jahr verzweifelter.
2. Eine Diversifizierung der
Strategien kann die Effektivität der Proteste maßgeblich
steigern. So konnten beispielsweise die Blockadepunkte zum Teil
einfacher erreicht werden als in den Vorjahren, da die Polizei
anderswo beschäftigt war. Gleichzeitig waren einige Aktionen nicht
strategisch nützlich und vermutlich nur dem Adrenalinpegel einzelner
Personen dienlich. Diese Situationen sollten sorgsam unterschieden
werden um einer oberflächlichen Debatte zur Gewaltfrage mit
strategischen und inhaltlichen Argumenten zu begegnen.
3. Eine gut koordinierte
Kommunikation via Twitter, Lifeticker und Radio erleichtert die
Koordinierung sowie die Orientierung in schwierigen Situationen
maßgeblich.
by Gabriel
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