Die Reaktionen auf das Pro-und-Contra-Streitgespräch blieben freilich nicht aus, aber dass sie derart wüst ausfallen würden, hätte wohl niemand gedacht. Über einen Leserbrief, der es in sich hat.
Dass sich die Süd-Tiroler Freiheit als der parteipolitische Pendant der Schützen sieht ist ebenso gut nachvollziehbar wie die öffentlich ausgesprochenen Symphathiebekundungen eben für die Schützendemonstration in Bozen. Was aber Ivo Hechtensteiner, Exponent der Süd-Tiroler-Freiheit und Ex-Landtagskandidat aus St. Pauls, in einem Leserbrief von sich gibt, sprengt alle Grenzen des guten Geschmackes. Stein des Anstoßes war die Pro-und-Contra-Sendung bzgl. Schützendemo zwischen Schützenmajor Bacher und Landtagsabgeordneten Heiss.
Hechtensteiner bezeichnet Heiss' Forderung, man solle doch bei einer Kundgebung gegen Nationalsozialismus und Faschismus in den Tagen, in denen sich der Novemberpogrom von 1938 zum 70. Mal jährt, auch den vier jüdischen Todesopfern aus Innsbruck gedenken, als "unmöglich und deplaziert". Schließlich hätten die Südtiroler "ganz andere Probleme zu wälzen" gehabt, denn "es war der Vorabend des Aussiedlungsabkommens zwischen Hitler und Mussolini, um eben diese deutsche Rasse restlos aus Südtirol zu vertreiben". Die Südtiroler daher "in diese fürchterliche Geschichte hineinziehen zu wollen, ist eine ungeheuerliche Unterstellung."
Und es geht noch weiter: "Am 15. Mai 1945 wurden fünf Grödner Väter aus St. Christina von ital. Partisanen aus den Betten geholt und bestialisch zu Tode gebracht, wie viele Südtiroler auf dem Rückzug von ital. Partisanen ermordet wurden, dürfte die Grünen Gutmenschen kaum interessieren, es waren ja nur Südtiroler, und keine Juden."
Dazu drei Punkte:
1. Es ist fürchterlich, noch im Jahre 2008 ein Gerede von "deutscher Rasse" hören zu müssen. Dass dieser Begriff ein fiktives Konstrukt ohne wisseschaftlichen Gehalts ist und er deshalb aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verbannt wurde, scheint bei so Manchem nicht angekommen zu sein. Von diesen Aussagen muss sich die Süd-Tiroler Freiheit umgehend distanzieren! (Anmerkung: Auch Roland Lang von derselben Partei sprach in einer Aussendung vom Durchgangslager Bozen, in dem Menschen wegen ihrer "Rasse" eingesperrt worden waren.)
2. Auch wenn die Südtiroer Bevölkerung nicht direkt am Novemberpogrom 1938 beteiligt gewesen ist, so haben sich dennoch viele Südtiroler(innen) danach an Taten schuldig gemacht, deren es heute mit gesenktem Haupt zu Gedenken angebracht wäre. Nicht zu vergessen: Hitler wurde fahnenschwenkend und unter Jubelschreien am Brenner von Südtiroler(innen) empfangen, Südtiroler(innen) kämpften und mordeten überzeugt für die Nazis, Südtiroler(innen) beteiligten sich an der Deportation von jüdischgläubigen Südtiroler(innen) und anderer Systemfeinde. Teile der südtiroler Bevölkerung also in engen Bezug zum Nationalsozialismus und dessen Schrecken zu setzen ist daher keine "ungeheuerliche Unterstellung", sondern eine Notwendigkeit, wenn man sich ernsthaft und kritisch mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzten will. (Anmerkung: Wenn auch jetzt von vielen Seiten zu hören ist, dass Mussolini UND Hitler den Südtiroler(innen) viel Leid gebracht haben, darf dadurch aber nicht die Tatsache aus den Augen verloren werden, dass viele Südtiroler(innen) maßgeblich an diesem Leid beteiligt gewesen sind.)
3. Im letzten Satz wird Hechtensteiner nochmals ironisch; seine beschränkte Sichtweise hält er bei. Wenn er nämlich von "fünf Grödner Vätern aus St. Christina" spricht, so hält er den Leser(innen) vor, dass diese Väter Nazischergen gewesen sind. Eine Textpassage dazu:
"Wegen Verfolgung von Dableibern sowie Festsetzung heimkehrender Soldaten des Badoglio-Heeres und deren Auslieferung an die Besatzungsorgane wurden der Ortsgruppenleiter und der Bürgermeister von Wolkenstein sowie die SOD-Führer von Wolkenstein und St. Christina noch nach Kriegsende, am 15. Mai 1945, zusammen mit anderen NS-Exponeneten des Grödner Tales von bellunesischen Partisanen festgenommen und auf dem Weg ins Gefängnis von Belluno unter nicht eindeutig geklärten Umständen getötet." (Wedekind, Michael; Nazionalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien 1943; S.427)
Das Eklatante aber im Leserbrief ist: Hechtensteiner stellt den braven Südtirolern die bösen Italiener (Partisanen!) gegenüber, welche grundlos in Südtirol Menschen meuchelten. Über die nazistische Vergangenheit der deutschsprachigen Südtiroler wird gutmütig hinweggesehen - wie es schon nach dem Krieg gängige Praxis war. Auch die Andeutung, die im Satzteil "wie viele Südtiroler auf dem Rückzug von ital. Partisanen ermordet wurden" schlummert, ist falsch: Die Ausschreitungen in St. Christina sind einzigartig im Südtirol dieser Jahre. Und nicht zuletzt unterstellt er, dass jüdische Opfer "bevorzugt" behandelt werden würden.
Es summieren sich zu viele Halbwahrheiten und Falschaussagen, um diesen Leserbrief unkommentiert zu lassen. Für den Autor muss festgehalten werden, dass er weder aus noch von der Geschichte viel gelernt hat.
Link Leserbrief:
Lesetipp:
Steinacher, Gerald: "Nicht vergessen, nur verschwiegen". Das US-Geheimdienstunternehmen ‚Tacoma‘ und das "Massaker in Gröden 1945", in: Geschichte und Region/ storia e regione anno/Jg. 6, S. 163-194.
Bildquelle: suedtiroler-freiheit.com
schande.
RispondiEliminagrauenvoller Leserbrief vom rechten Rand der Gesellschaft. Dass eine Partei, die solche Mitglieder nicht nur nicht einbremst, sondern deren Erfgüsse noch stolz im Web präsentiert, andere des Faschismus bezichtigt, gehört wohl zu den Eigenarten Südtirols: Faschisten sind in den Augen der strammen, deutschtümelnden und revisionistischen Hetzer immer nur die Italiener.
RispondiEliminaWer Rasse sagt ist Rassist, ups
RispondiEliminaes gibt keine deutsche Rasse. Das ist eine Erfindung. Wer heute davon spricht, übernimmt die Nazi-Terminologie.
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