venerdì 18 febbraio 2011

Il Duce é morto, evviva...? - Teil 2

KOMMENTAR | Zwei Wochen ist es her, dass die SVP-Abgeordneten Zeller und Brugger die Bombe platzen ließen: Die faschistischen Relikte in Südtirol sollen entfernt bzw. umgestaltet werden. Nach Jahrzehnten des Stillstandes kommt Bewegung in eine Debatte, die so versteinert schien wie ihr Gegenstand.

Teil 2

Die Minderheit in der Minderheit
Dass das Siegesdenkmal eben nicht nur für den Kreis jener Faschisten, die jetzt schäumend zum Protest nach Rom fahren, eine wichtige kulturelle Bedeutung hat, ist nicht neu: Spätestens die gescheiterte Umbenennungsinitiative des Siegesplatzes hat den breiten Konsens zur Beibehaltung des status quo offengelegt. Dies hat wiederum mit der Situation der Italiener*innen in Südtirol zu tun, die politisch mit dem Ausbau der Autonomie Schritt für Schritt in die Defensive gedrängt wurden. Die Gründe dafür sind vielfältig und zum Teil hausgemacht, vor allem aber ist es das Proporzsystem, das sich als Gängelband erwiesen und ihren Status als Minderheit in der Minderheit in allen Bereichen zementiert hat: Politisch immer abhängig von der Sammelpartei und zerstritten darin, wer für diese den Steigbügelhalter spielen darf, wirtschaftlich trotz hoher Akademinker*innequote aus den Spitzenpositionen gedrängt. Ihre Existenz in der zweiten Reihe als spaesati, Heimatlose, drückt sich im Begriff des disagio als diffuses Gefühl des Unbehagens nur beschränkt aus. Es ist vielmehr ein handfester Machtkonflikt, ein subtiles Unterdrückungsverhältnis, bei welchem auf die Integration der Anderen abgezielt wird, um die eigene Position zu festigen. Die ethnische Segregation, Anfang und Ende der Südtiroler Autonomie, bewirkt das Gegenteil dessen, zu dem sie aufgebaut wurde: Sie schafft neue Minderheiten in alten Grenzen. 

Der Sündenfall
In den unzähligen Kubikmetern Stein, die in Bozen zu einem faschistischen Grenzstein aufgetürmt wurden, bricht sich nun die Komplexität des Nationalitätenkonflikts in Südtirol. Während es deutschsprachige Südtiroler*innen von links bis rechts bei dessen Anblick sauer aufstößt, ist das Verhältnis der italienische Sprachgruppe zu diesem Bauwerk ambivalent: Wie ein Muttermal ist es ein hässlicher, aber nichtsdestotrotz unleugbarer Teil des eigenen Körpers. Denn die Geschichte der Italiener*innen in Südtirol beginnt mit dem Faschismus und wird von ihr überschattet, früher wie heute; er ist die italienische Erbsünde, die ihre Anwesenheit seit Anbeginn befleckt und sie dennoch erst möglich gemacht hat. Das Muttermal ist ein Kainsmal, das die beiden Gruppen aneinander kettet und trennt zugleich, wurde doch die Identität der deutschsprachigen Südtiroler*innen wesentlich vor dem Hintergrund von Annexion und Option formuliert. Der Faschismus ist Teil jener italienischen Geschichte, die als Erzählung und kollektive Erinnerung vor allem auch durch die Deutschen geschrieben wurde und wird. Wie sonst können die Schützen am Siegesdenkmal "Gegen Faschismus, für Tirol" demonstrieren, oder Arnold Tribus verwundert schreiben: "Der Faschismus verfolgt sie, die Italiener, er ist ihre Geschichte." Und wenn etwa der Vorsitzende des Partisanenverbandes ANPI einmal erzählte, dass das Denkmal heute nicht mehr stehen würde, wenn sie es damals denn sprengen hätten wollen, wird deutlich, welche Bedeutung das Bauwerk im kollektiven Gedächtnis einnimmt. Dass aber die Geschichte Südtirols immer noch in unterschiedlichen Sprachen geschrieben wird, macht aus dem Faschismus ein ethnisches Problem, und die politische Dimension verschwindet im Wehen der Fahnen.

Cittá nostra
Die ethnische Segregation, die Wasserscheide des Landes, ist nicht nur eine kulturelle, sondern auch eine räumliche. Der Konzentration der italienischen Sprachgruppe auf die urbanen Teile des Landes und insbesondere auf die Hauptstadt Bozen, in welcher sie die Mehrheit stellt - in zwei Stadtvierteln leben rund die Hälfte der Italiener*innen Südtirols -, steht die deutsche Dominanz auf dem Land entgegen. Was diese räumliche Verteilung der Sprachgruppen betrifft, hat sich über die Jahrzehnte hinweg wenig getan; die gläsernen Mauern stehen wie eh und je, und von Ghettoisierung zu sprechen ist nicht übertrieben. Für das Selbstverständnis der Italiener*innen ist Bozen als "ihre" Stadt daher ein zentraler Bezugspunkt. Doch auch hier drückt sich das oben angesprochene Missverhältnis aus: Die italienische Stadt ist zwar Hauptstadt der Provinz Bozen (eine auf den Staat Italien bezogene Bezeichnung), jedoch immer ein Anhängsel des deutschen Landes Südtirol: Der Schwanz wedelt mit dem Kopf.

Unrühmliche Projektionsfläche
Der Unmut der Italiener*innen über die Umgestaltung der faschistischen Relikte hat einerseits mit der fahrlässigen, ja sogar revanchistischen Geschichtspolitik zu tun, die in Italien betrieben wird und unter Berlusconi erneut aufblüht. Zum Anderen spielen die soziale Situation und Identitätskonstruktion der Italiener*innen eine bedeutende Rolle. Vor dem oben beschriebenen Hintergrund wird das Siegesdenkmal für die Italiener*innen zu einer kulturellen Projektionsfläche, auf der sich das Gefühl des Ausgegrenzt-Seins und das Bedürfnis nach kultureller Heimat sowie politischer Bedeutung artikuliert. Die italienische Hauptstadt, eine Insel inmitten deutscher Dominanz, hält die identitäre Verbindung mit dem Mutterland Italien über ein Bauwerk aufrecht, das dummerweise ein faschistisches ist: Das Siegesdenkmal als bedeutendstes Gebäude der italienischen Enklave wird zum Bindeglied zwischen lokaler und gesamt-italienischer Geschichte. Dies ist auch der Grund, weshalb das Vorpreschen der SVP bei den Italiener*innen auf derartigen Missmut gestoßen ist:  Es ist ihre Geschichte, um die es geht, und wieder sind es andere, welche sie umschreiben wollen. Erneut werden sie zu dem degradiert, was sie immer waren: Spielball und Mittel zum Zweck der Mächtigen, auch und vor allem der italienischen: Einst von Mussolini in nationalistischem Wahn herangekarrt, wurden sie damals bei den Autonomieverhandlungen ebenso wenig berücksichtigt wie jetzt: Die Geschichte wiederholt sich. Wer den ideologischen Überbau des Denkmals ignoriert und die Faschismus-Keule schwingt, fördert nur jene, die den Missmut artikulieren und in Rom protestieren. Gleichzeitig beschleunigt dies den Todesmarsch, die stillen Option der Italiener*innen : Die Wahl zwischen Fremdheit in der Heimat oder Heimat in der Fremde. Die patriarchale, bevormundende Haltung der SVP-Granden ("Die Italiener sollten uns helfen, in Südtirol endlich Frieden zu machen") verschärft eine Situation, für die der Brief aus Rom eine Friedensbotschaft hätte sein können.

Eine neue Geschichte
Der strategische Hebel, den es im Südtiroler Nationalitätenkonflikt braucht, muss bei den Erzählungen ansetzen, die den gegenwärtigen Zustand legitimieren und reproduzieren. Südtirol befindet sich gerade in einer (identitäts)politischen und sozioökonomischen Umbruchsituation. Das Feindbild der Italiener, welches die Südtiroler Identität lange Zeit zusammengeschweißt hat, wird zunehmend von dem der  "Ausländer" abgelöst. Die politische Landschaft pluralisiert sich bis hinunter auf die kommunale Ebene. Landwirtschaft und Tourismus sehen sich einer nunmehr globalen Konkurrenz ausgesetzt. Das Bruttoinlandsprodukt ist hoch, doch der Reichtum verteilt sich immer ungleicher und die Armut nimmt ständig zu. Mit einem Wort: Südtirol wird zunehmend europäischer. Eine emanzipatorische und pluralistische Bewegung in Südtirol sieht sich vor zwei großen Herausforderungen: Zum Einen muss sie es schaffen, dass die deutsch-italienische Annäherung nicht weiterhin in Rassismus und Islamophobie umschlägt. Gleichzeitig muss sie laut und deutlich die Frage nach sozialer Gerechtigkeit und der Verteilung materieller Ressourcen stellen, die bislang vor allem durch die Freiheitlichen artikuliert wurde. Der Antifaschismus muss der Ausgangspunkt sein, an welchem die Südtiroler Geschichte neu geschrieben wird, indem er den Faschismus als vermeintliche Erbschuld der Italiener*innen als ein Verhältnis zwischen rechts und links begreift und nicht als ein ethnisches. Die Kultur als jener Horizont, vor welchem Geschichte und Identität artikuliert werden, muss radikal ent- und zugleich repolitisiert werden. Denn diese neue Geschichte darf nicht jene eines naiv-romantischen "Miteinanders" sein, sondern muss in der Sprache der sozialen Kämpfe zwischen oben und unten verfasst sein. Gerade in Krisenzeiten wie den gegenwärtigen öffnen sich neue Türen und große Möglichkeiten. Die alte und neue Frage lautet: Emanzipation oder Barbarei?

2 commenti:

  1. tiefgreifende analyse! kompliment! darf man fragen, aus wessen tastatur der kommentar stammt?

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