Nach den von Hungerrevolten ausgelösten Aufständen in den nordafrikanischen Ländern beginnt sich auch im alten Europa Widerstand gegen die Sparmaßnahmen der Regierungen zu regen. In Griechenland folgt ein Streik dem nächsten, in Spanien hat sich innerhalb kürzester Zeit eine breite Protestbewegungn formiert.
Bei allen regionalen Unterschieden ist die zeitliche Nähe der Umwälzungen im arabischen Raum und den Entwicklungen in Südeuropa kein Zufall: Durch die sich durch die Wirtschaftskrise verschärfenden sozialen Spannungen gelingt es den Regierenden immer weniger, den brüchigen Konsens aufrecht zu erhalten, auf dem ihre Herrschaft fußt. Politische, ökonomische und kulturelle Widersprüche, durch Gewalt, Propaganda und faule Kompromisse dürftig gekittet, entladen sich flächenbrandartig.
Wenn wir nach Spanien blicken, so zeigt sich trotz der Heterogenität der Bewegung ein fundamental neues Charakteristikum: Es ist mehr eine Verweigerung, die sich Luft macht, denn eine Forderung. Denn was gefordert wird, geht weit darüber hinaus, was Kapital und Staat zu geben fähig und bereit sind: Es ist die Forderung nach einer Gesellschaft, die direktdemokratisch, gemeinwohlorientiert und nachhaltig aufgebaut ist. Die Verwertung des Wertes - Kapitalakkumulation, Profitmaximierung -, das Grundprinzip der kapitalistischen Ökonomie, findet sich vollständig verwirklicht in der Sphäre der Finanzmärkte, die heute den Motor der Wirtschaft darstellt. Ihre Logik ist es, an der sich die Regierungen im globalen Wettbewerbsraum orientieren, und ihre Logik ist es, gegen die sich der Protest richtet: Gegen die Reduktion des Menschen auf seine Verwertbarkeit als Humankapital, gegen die Präkarisierung breiter Schichten und Arbeitslosigkeit als Normalzustand, gegen einen Abbau wohlfahrsstaatlicher Rechte und zunehmender Privatisierung. Die Parteien, ob rechts oder links, sind nicht mehr fähig, den Protest zu kanalisieren.
Der Erfolg der Bewegungen wird sich daran zeigen, inwieweit es ihr gelingt, die unterschiedlichen Risse im sozialen Gefüge zu einem Bruch mit dem gegenwärtigen Regime des Alltäglichen zu vereinen. Wenn sie Selbstbestimmung und Selbstorganisation als Ausgangspunkt gemeinsamer Erfahrungen ins Zentrum ihres Tuns stellen, wird ihre "ethische Revolution", die das gute Leben als Anfang und Ende der Politik sehen will, Früchte tragen.
Manifest von Democracia Real Ya - deutsche Übersetzung
Wir sind normale Menschen. Wir sind wie du: Menschen, die jeden Morgen aufstehen, um studieren zu gehen, zur Arbeit zu gehen oder einen Job zu finden, Menschen mit Familien und Freunden. Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, um denjenigen die uns umgeben eine bessere Zukunft zu bieten.
Einige von uns bezeichnen sich als aufklärerisch, andere als konservativ. Manche von uns sind gläubig, andere wiederum nicht. Einige von uns folgen klar definierten Ideologien, manche unter uns sind unpolitisch, aber wir sind alle besorgt und wütend angesichts der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektive, die sich uns um uns herum präsentiert: die Korruption unter Politikern, Geschäftsleuten und Bankern macht uns hilf- als auch sprachlos.
Und diese Situation ist mittlerweile zur Normalität geworden – tägliches Leid, ohne jegliche Hoffnung. Doch wenn wir uns zusammentun, können wir das ändern. Es ist an der Zeit, Dinge zu verändern. Zeit, miteinander eine bessere Gesellschaft aufzubauen.
Deswegen treten wir eindringlich hierfür ein:
● Gleichheit, Fortschritt, Solidarität, kulturelle Freiheit, Nachhaltigkeit und Entwicklung, sowie das Wohl und Glück der Menschen müssen als Prioritäten einer jeden modernen Gesellschaft gelten.
● Das Recht auf Behausung, Arbeit, Kultur, Gesundheit, Bildung, politische Teilhabe, freie persönliche Entwicklung und Verbraucherrechte im Sinne einer gesunden und glücklichen Existenz sind unverzichtbare Wahrheiten, die unsere Gesellschaft zu befolgen hat.
● In ihrem momentanen Zustand sorgen unsere Regierung und das Wirtschaftssystem nicht dafür, sondern stellen sogar auf vielerlei Weise ein Hindernis für menschlichen Fortschritt dar.
● Die Demokratie gehört den Menschen (demos = Menschen, krátos = Regierung), wobei die Regierung aus jedem Einzelnen von uns besteht. Dennoch hört uns in Spanien der Großteil der Politiker überhaupt nicht zu. Politiker sollten unsere Stimmen in die Institutionen bringen, die politische Teilhabe von Bürgern mit Hilfe direkter Kommunikationskanäle erleichtern, um der gesamten Gesellschaft den größten Nutzen zu erbringen, sie sollten sich nicht auf unsere Kosten bereichern und deswegen vorankommen, sie sollten sich nicht nur um die Herrschaft der Wirtschaftsgroßmächte kümmern und diese durch ein Zweiparteiensystem erhalten, welches vom unerschütterlichen Akronym PP & PSOE angeführt wird.
● Die Gier nach Macht und deren Beschränkung auf einige wenige Menschen bringt Ungleichheit, Spannung und Ungerechtigkeit mit sich, was wiederum zu Gewalt führt, die wir jedoch ablehnen. Das veraltete und unnatürliche Wirtschaftsmodell treibt die gesellschaftliche Maschinerie an, einer immerfort wachsenden Spirale gleich, die sich selbst vernichtet indem sie nur wenigen Menschen Reichtum bringt und den Rest in Armut stürzt. Bis zum völligen Kollaps.
● Ziel und Absicht des derzeitigen Systems sind die Anhäufung von Geld, ohne dabei auf Wirtschaftlichkeit oder den Wohlstand der Gesellschaft zu achten. Ressourcen werden verschwendet, der Planet wird zerstört und Arbeitslosigkeit sowie Unzufriedenheit unter den Verbrauchern entsteht.
● Die Bürger bilden das Getriebe dieser Maschinerie, welche nur dazu entwickelt wurde, um einer Minderheit zu Reichtum zu verhelfen, die sich nicht um unsere Bedürfnisse kümmert. Wir sind anonym, doch ohne uns würde dergleichen nicht existieren können, denn am Ende bewegen wir die Welt.
● Wenn wir es als Gesellschaft lernen, unsere Zukunft nicht mehr einem abstrakten Wirtschaftssystem anzuvertrauen, das den meisten ohnehin keine Vorteile erbringt, können wir den Missbrauch abschaffen, unter dem wir alle leiden.
● Wir brauchen eine ethische Revolution. Anstatt das Geld über Menschen zu stellen, sollten wir es wieder in unsere Dienste stellen. Wir sind Menschen, keine Produkte. Ich bin kein Produkt dessen, was ich kaufe, weshalb ich es kaufe oder von wem.
Im Sinne all dieser Punkte, empöre ich mich.
Ich glaube, dass ich etwas ändern kann.
Ich glaube, dass ich helfen kann.
Ich weiß, dass wir es gemeinsam schaffen können.
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