"Aus aktuellem Anlass sei angemerkt, dass es immer heißt, dass man sich früher oder später an alles gewöhnt, dass der Mensch ein sogenanntes Gewohnheitstier ist und sich irgendwann mit allen möglichen Missständen abfindet. Irgendwie scheine ich, mit vielen anderen Kulturschaffenden, aber nicht zu dieser Spezies der Gewohnheitstiere zu gehören. Denn meine Wut, mein ziviler Ungehorsam und meine Erbostheit über die Borniertheit und Verschlossenheit mancher "Großkopfeten" in diesem Land wächst von Mal zu Mal und mit jeder weiteren Meldung darüber, dass wieder einmal eine der vielen alternativen und ehrenamtlichen Veranstaltungen in diesem Land mit irgendwelchen Prügeln, angsterfüllten Bürgermeistern, Sicherheitsfetischisten oder übertrieben arrogant-autoritären Polizeikräften, die schon lange das rechte Maß verloren haben, zu kämpfen haben.
Initiativen, Kulturschaffende und Musiker sowie Künstler aus der
alternativen Szene gibt es in Südtirol mittlerweile fast schon wie Sand
am Meer. Ich habe im Laufe der letzten 10 Jahre viele dieser engagierten
und feinfühligen, kreativen und musischen Menschen kennengelernt. Die
Szene ist bunt, aufregend und bietet in allen Sparten, Genres und
Ausstaffierungen immer wieder Neues, Spannendes und Bereicherndes. Allein
in diesem Sommer gab es über 60(!) verschiedene, kleinere und größere
Musikfestivals und Open Airs zwischen Brenner und Salurn.
Solche aus der Rockszene, andere die dem Punk, der Ska- oder der
Reggae-Musik verfallen sind, wiederum andere, die mit grungigen oder
folkigen Klängen ihr Publikum begeistern konnten, solche die der
heimischen Elektronikszene ein breites Programm anbieten, jene die dem
Hip-Hop neue Türen öffnen, schwierige, komplizierte, einfach gestrickte
und gänzlich andere, die nur schwer einzuordnen, zu definieren sind, die
lauten und harten, die ganz ruhigen und leisen, aber doch immer solche, die etwas zu sagen haben.
Allen ist gemeinsam, dass sie abseits der Feuerwehr- und Schützenfeste,
abseits der Kirchtage, Dorffeste, Weinverkostungen und brauchtums- bzw.
traditionsgebundenen Veranstaltungen in Südtirol eine Alternative
darstellen möchten. Aber niemand, den ich in meiner kulturellen
Schaffenstätigkeit kennengelernt habe, wäre jemals auf die Idee gekommen
die klassischen Feste und Events in Südtirol schlecht zu reden oder
diesen das Existenzrecht abzusprechen, im Gegenteil. Jedem Veranstalter
und Kulturschaffenden, der Menschen zusammenbringt, um diesen dann in
der Folge die Möglichkeit zu bieten gemeinsam zu feiern, sich abseits
von Arbeit und sonstigen Verpflichtungen des Lebens anderweitig ausleben
zu können, andere Leute zu treffen, zu lachen und zu tanzen, dem sollte
ein Mindestmaß an Respekt und Anerkennung zuteil werden. Es ist nicht
selbstverständlich, in monatelanger Kleinstarbeit und Vorbereitung sich
für die Allgemeinheit einzusetzen und ehrenamtliche Stunde um Stunde
abzudrücken, nein, es ist ein Geschenk, ein wohlwollendes Zeichen an und
für eine offene und freiere Gesellschaft. All diesen Menschen gebührt ein großer Dank und
dies vor allem deshalb, weil sie den Besuchern dieser Veranstaltungen
und Feste die Möglichkeit der kulturellen Vielfalt und Abwechslung
bieten, weil jeder frei nach Geschmack und Lust sich dort hin begeben
kann, wo es ihm/ihr am besten gefällt, wo er/sie sich am wohlsten fühlt.
Nicht alle Gemeinden und Bürgermeister Südtirols machen es den
alternativen Kulturschaffenden schwer. Es gibt solche und solche.
Dennoch musste man in den letzten Jahren aufgrund vieler Beobachtungen
und auch aufgrund vieler eigener Erfahrungen feststellen, dass es sehr
viele engagierte Menschen gibt, welche große Schwierigkeiten haben wenn
es darum geht, Lizenzen und Genehmigungen für solche Veranstaltungen zu
erhalten. Der Fall des Miracle Hill und die Posse mit der Polizei und
dem Bürgermeister von Völs steht letztlich nur stellvertretend für all
jene Festivals und Konzerte die es schon lange nicht mehr gibt, die mit
Polizeiwillkür zu kämpfen haben, denen man im Dorf und auch in der Stadt
zu verstehen gegeben hat, dass es den Entscheidungsträgern und
Herrschenden lieber wäre, wenn es solche Veranstaltungen nicht geben
würde. Dass Südtirol ein Land sei, dessen Erfolg in erster Linie auf dem
Tourismus für Senioren aus dem deutschsprachigen Raum fußt und es daher
nicht angebracht sei, wenn während der Hochsaison diese Geldbringer in
ihrem wohlverdienten Urlaub gestört werden. Die engmaschigen
Verbindungen zwischen Tourismustreibenden und Politik haben in diesem
Land ein Maß erreicht, das dazu beigetragen hat, dass all jene, die
nicht in diese Prozesse eingebunden sind und mit ihren Veranstaltungen
letztlich zu lästigen Störenfrieden wurden, von diesen Gruppen geächtet
und in ihren kreativen Impulsen beschnitten und aufgehalten worden sind.
Letztlich haben diese Drangsalierungen und die vielen Verbote
auch dazu geführt, dass kreative, talentierte und motivierte junge
Menschen diesem Land den Rücken gekehrt haben und in Städte und
Länder ausgewandert sind, die sie mit offenen Armen empfangen haben.
Dieser Vorgang nennt sich im Englischsprachigen "braindrain" und
bedeutet letztlich nichts anderes als "Gehirn-Abfluss", im Sinne von
Talentschwund und dadurch in unmittelbarer Folge Abwanderung der
Intelligenz. Akademiker, Künster und Kulturschaffende verlassen in
Scharen dieses Land und niemand scheint sich besonders daran zu stören.
Denn in Südtirol gibt es eine bestimmte gesellschaftliche, konservative,
dem Besitz zugetanene Bevölkerungsschicht, die entweder aus dem
Tourismus oder der Landwirtschaft kommt und der nichts mehr gelegen
kommt, als dass diese Menschen nie wieder nach Südtirol zurückkehren, um
die bestehenden Verhältnisse auch nicht im geringsten zu gefährden.
Wenn man sich dann weiters vor Augen führt, dass ein von
minderjährigen Rappern mit migrantischem Hintergrund produziertes,
wenig-professionelles Musikvideo für einen größeren gesellschaftlichen
Aufschrei, mitsamt den einhergehenden, bösartigen, rassistischen
Beißreflexen sorgt, als wenn ein Benefizfestival, das in monatelanger
Kleinstarbeit geplant wurde, eine Woche vorher mit einer äußerst
fadenscheinigen Begründung abgesagt werden kann, dann kann einem schon
Angst und Bange werden.
Wenn mensch daraus folgend konstatieren muss, dass sich allzu viele
schon längst an diese Dinge gewöhnt haben, dann kann das Fazit bzw. die
Schlussfolgerung daraus nur lauten, dass eine eintönige Verdummung, eine geistig-moralische Zurückgebliebenheit mehr denn je von bestimmten Gruppierungen dieses Landes gewünscht und gefördert wird und den
kreativen und musisch veranlagten Menschen zu verstehen gegeben wird,
dass sie hier in diesem auf Tradition und Brauchtum, oder soll ich
sagen, Geld bedachten Land, schlicht und einfach nicht willkommen sind.
Wenn man sich dieser Dinge gesamtgesellschaftlich eingedenk wird und
versteht, dass man es hier mit einer subtilen, nicht sofort erkennbaren
Form von Gewalt zu tun hat, dann ist es mehr denn je an der Zeit, sich
an den guten alten Platon zu erinnern, der damals schon wusste: "Kultur
ist der Sieg der Überzeugung über die Gewalt." Wenn sich also nur mehr
mutige und überzeugte Menschen in diesem Land diesen Missständen
entgegenstellen und zusammentun würden - die Chance ist noch nie größer
gewesen, eine Veränderung, einen Umsturz der bestehenden kulturellen und
gesellschaftlichen Verhältnisse zu erreichen."
Thomas Kobler
Mitveranstalter Rock the Lahn und Vorstandsmitglied des Ostwestclubs
sabato 6 settembre 2014
lunedì 1 settembre 2014
Polizei kriminalisiert antifaschistischen Protest
Text von AktivistInnen zu den Vorfällen am Samstag in Meran
"In Meran hat die Polizei am letzten Samstag versucht, antifaschistischen Protest gegen das hetzerische Treiben der neofaschistischen Partei „Forza Nuova“ einzuschränken. Wir waren trotzdem dort.
Nach dem großen Erfolg des Flashmobs um den Infostand der Neofaschisten vor einigen Wochen hatte Forza Nuova einen weiteren Infostand angekündigt. Am vergangenen Samstag, 30. August 2014, wurde der Infostand dann am Kornplatz in Meran aufgestellt.
Es ist klar, dass in Italien im Umgang mit dem faschistischen Lager viel falsch läuft; die Gesetzesgrundlagen für die Verfolgung solcher Bewegungen sind dürftig, und bei der Anwendung sieht es noch schlechter aus. Dass legitime und legale Protestaktionen dann aber mit polizeilichen Mitteln zu Verhindern versucht werden, ist inakzeptabel und wirft ein schiefes Licht auf die Verantwortlichen.
Was ist geschehen? Die von den letzten Erfolgen offensichtlich nicht erfreute Polizei hat die AntifaschistInnen bereits im Vorfeld davor gewarnt, wieder aktiv zu werden. Ihnen wurde unter anderem mit einer Anzeige gedroht, falls sie sich auch nur in der Nähe des faschistischen Infostandes aufhielten. Alle, die sich dem Platz nähern, würden zudem einzeln abfotografiert und aufgeschrieben.
Aber damit nicht genug: Die Polizeikräfte der Digos konnten es scheinbar nicht erwarten, dass jemand diese Auflagen missachtete, und versuchten, einige der AntifaschistInnen, die sich in einer Bar in der Altstadt zusammengefunden haben um später Flugblätter zu verteilen, einzuschüchtern. Mit Foto- und Videokameras versuchte ein Polizist in Zivil aus einigen Metern Entfernung Aufnahmen von den anwesenden Personen zu machen, die sich im Außenbereich der Bar aufhielten. Zudem wurde die Aufforderung geäußert, „die Gruppe in der Bar (!) soll sich jetzt auflösen, und für die Flugblattaktion sollte keine der Gruppen aus mehr als drei Personen bestehen."
Im Klartext: Demonstrationsfreiheit ist ein Grundrecht; es ist eine Pflicht, wenn faschistische Kräfte aufmarschieren. In Meran hat die Polizei alles daran gesetzt, dies zu verhindern, hat AktivistInnen eingeschüchtert und wie Kriminelle behandelt. So sieht es aus.
Andererseits: Im Anschluss wurde eine nur im oberen Teil des Zentrums genehmigte Flugblattaktion, durchgeführt, während Forza Nuova wieder einmal allein auf weiter Flur dastand. Die rund fünf Aktivisten aus Südtirol, von denen wohlgemerkt nur zwei aus Meran sind, mussten sich Verstärkung aus Trient und Verona holen, um hier den Schein von Präsenz zu wahren. Denn Fakt ist: Es gibt Forza Nuova nicht in Meran, weder als Organisation, noch als ernstzunehmende politische Kraft. Und wir werden alles tun, dass das auch so bleibt!"
Nach dem großen Erfolg des Flashmobs um den Infostand der Neofaschisten vor einigen Wochen hatte Forza Nuova einen weiteren Infostand angekündigt. Am vergangenen Samstag, 30. August 2014, wurde der Infostand dann am Kornplatz in Meran aufgestellt.
Es ist klar, dass in Italien im Umgang mit dem faschistischen Lager viel falsch läuft; die Gesetzesgrundlagen für die Verfolgung solcher Bewegungen sind dürftig, und bei der Anwendung sieht es noch schlechter aus. Dass legitime und legale Protestaktionen dann aber mit polizeilichen Mitteln zu Verhindern versucht werden, ist inakzeptabel und wirft ein schiefes Licht auf die Verantwortlichen.
Was ist geschehen? Die von den letzten Erfolgen offensichtlich nicht erfreute Polizei hat die AntifaschistInnen bereits im Vorfeld davor gewarnt, wieder aktiv zu werden. Ihnen wurde unter anderem mit einer Anzeige gedroht, falls sie sich auch nur in der Nähe des faschistischen Infostandes aufhielten. Alle, die sich dem Platz nähern, würden zudem einzeln abfotografiert und aufgeschrieben.
Aber damit nicht genug: Die Polizeikräfte der Digos konnten es scheinbar nicht erwarten, dass jemand diese Auflagen missachtete, und versuchten, einige der AntifaschistInnen, die sich in einer Bar in der Altstadt zusammengefunden haben um später Flugblätter zu verteilen, einzuschüchtern. Mit Foto- und Videokameras versuchte ein Polizist in Zivil aus einigen Metern Entfernung Aufnahmen von den anwesenden Personen zu machen, die sich im Außenbereich der Bar aufhielten. Zudem wurde die Aufforderung geäußert, „die Gruppe in der Bar (!) soll sich jetzt auflösen, und für die Flugblattaktion sollte keine der Gruppen aus mehr als drei Personen bestehen."
Im Klartext: Demonstrationsfreiheit ist ein Grundrecht; es ist eine Pflicht, wenn faschistische Kräfte aufmarschieren. In Meran hat die Polizei alles daran gesetzt, dies zu verhindern, hat AktivistInnen eingeschüchtert und wie Kriminelle behandelt. So sieht es aus.
Andererseits: Im Anschluss wurde eine nur im oberen Teil des Zentrums genehmigte Flugblattaktion, durchgeführt, während Forza Nuova wieder einmal allein auf weiter Flur dastand. Die rund fünf Aktivisten aus Südtirol, von denen wohlgemerkt nur zwei aus Meran sind, mussten sich Verstärkung aus Trient und Verona holen, um hier den Schein von Präsenz zu wahren. Denn Fakt ist: Es gibt Forza Nuova nicht in Meran, weder als Organisation, noch als ernstzunehmende politische Kraft. Und wir werden alles tun, dass das auch so bleibt!"
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