martedì 5 aprile 2016

Nur mal so zur Klarstellung: Ich distanziere mich nicht! | Kommentar



Dass aus dem rechten Eck sinnbefreite Sprüche zur gestrigen Demo kommen würden, war klar. Dass Stol und Dolomiten, die nicht mal eine*n Reporter*in vor Ort hatten und nur eine Agenturmeldung abdruckten, ein Bürgerkriegsszenario heraufbeschworen und mit Slogans wie "Gewalt am Brenner" und "Chaos bei Demo" auf Verkaufstour gingen - ok, journalistisch unzumutbar und bedauerlich, aber überrascht jetzt auch nicht sonderlich. Wenn aber Personen, denen Medienkritik und Vernunft keine Fremdwörter zu sein scheinen, in übelster Manier über die Demonstrant*innen herziehen, ohne jedes Gefühl für Angemessenheit und Wahrheit ("HC Straches Adjutanten", "gehirnamputierte Arschlöcher", "Berufschaoten"), dann muss doch noch mal etwas klar gestellt werden.
  1. Wenn man keine Ahnung hat: Leise sein. Guter Tipp für all jene, die nicht dabei waren, aber vorhaben, mit markigen Sprüchen und einseitigen Schuldzuweisungen unterm Arm von seiner Wohnzimmercouch aufzustehen und sich weit aus dem Fenster zu lehnen. Nur so generell.
  2. Wenn man keine Ahnung hat, aber mitreden möchte: Sich informieren. Die Berichterstattung über die Demo war sehr breit, vom Tagesspiegel über Krone bis hin zur Repubblica und BBC. Das ist schon mal gut. Dass sich viele Medien wie angefixte Hühner in den Gewaltaspekt verhackt haben und die Tatsache, dass über 1.000 Menschen gegen Nationalismus, die Missachtung von Menschenrechten und die europäische Desintegration auf den Brenner gekommen sind, vollständig ausgeblendet haben, spricht eher gegen die Medien als gegen die Demonstrierenden. Aber es gab auch ausgewogene und objektive Berichte, z. B. auf Salto, bei Tirol Heute, RAI oder der Repubblica.
  3. Also nochmal: Chaos? In den drei Stunden der Demodauer war es fast die ganze Zeit über wie aus dem Polizeibilderbuch: Alles im Rahmen des Erlaubten. Dann gab es eine kurze Blockadeaktion bei den Geleisen, wodurch der Zugverkehr für 1,5 h unterbrochen wurde. Und dann die eine halbe Minute dauernde Aktion, die dann in allen Zeitungen zu sehen war: Eine Gruppe von Aktivist*innen versuchte, an der Polizeikette vorbei zu kommen - gut dokumentiert auf diesem Video. Die Aktivist*innen wurden weder handgreiflich oder gewalttätig, sie bewegten sich auf die Polizisten zu, diese weichen zwei Meter zurück, bevor sie mit massivem Pfeffersprayeinsatz die Demonstrierenden wieder zurückdrängen. Was (aus der Logik der Polizei) auch durchaus nachvollziehbar ist, es waren nicht viele Polizisten aufgestellt, sie wären sonst einfach abgedrängt worden. Dann fliegen noch ein paar Bengalos. UND. DAS. WARS. Also ehrlich, sowas läuft normalerweise unter "ziviler Ungehorsam" oder "Rangelei". Wer will, "Zusammenstöße mit der Polizei". Aber Chaos? Gewalttätige Ausschreitung? Schlachtfeld? Seriously?
  4. Vor allem diese Doppelmoral. Egal wie man es nennen möchte und ob es sinnvoll war sei auch dahingestellt - aber wer sich über diese Aktion derart aufregen kann, die hunderten Toten im Mittelmeer aber als Kollateralschaden einer durchaus vernünftigen "Migrationspolitik" betrachtet, Militär an innereuropäischen Grenzen akzeptabel und einen erdigen Autokraten, der im Süden seines Landes ganze Städte zerschießen lässt, für einen Verbündeten Europas, der hat jedes Maß für Recht und Unrecht verloren.
  5. In diesem Sinne: Ich distanziere mich nicht. Natürlich kann man sich fragen, ob diese Aktion schlau war oder dem Ziel abträglich, weil sie Angriffsfläche bietet und Bilder, die befremden können. Aber bei solchen "Journalisten" wie denen, die jetzt einen Bürgerkrieg herbeigeschrieben haben, hat man immer schon verloren. Es braucht zivilen Ungehorsam gegen ein Unrecht, das zu Recht gemacht wird, und militanten Widerstand, ehe Nationalismus und Faschismus triumphieren. Und es braucht Menschen, die für ein gemeinsames Europa, für Menschenrechte und Demokratie bereit sind, Grenzen zu überschreiten, wenn Grenzen gebaut werden sollen.

12 commenti:

  1. Da ich hier direkt angesprochen bin ebenfalls ein paar Klarstellungen bzw. Fragen

    1. Ich nehme an, wir stimmen überein, dass es das oberste Ziel sein muss, ein weiteres Erstarken der Rechtspopulisten bis Rechtsextremisten zu verhindern, Grenzen offen zu halten und einen menschlichen Umgang mit Hilfesuchenden zu erreichen. Diese Zielsetzung ist zu ernst, als dass wir sie irgendwelchen Egoismen und politischen Spielchen unterordnen dürfen.
    2. Ergo müssen unsere Handlungen derlei Gestalt sein, dass sie uns diesem Ziel näher bringen. Dabei müssen wir heute herrschende Realitäten (Traditionelle Medien und Social Media in denen sich bestimmte Bilder rasch verbreiten und meinungsbildende Wirkung entfalten) anerkennen und zu unseren Gunsten nutzen.

    Auf Basis dieser beiden Prämissen nun meine Fragen:
    1. Welches positive – dem Ziel der Demonstration zuträgliche – Resultat sollte die Aktion am Ende zeitigen? Und wiegt das Resultat, welches eingetreten wäre, wenn die Aktion geglückt wäre, das Risiko auf, dass das passieren würde, was passiert ist?
    2. Wenn bewusst kein Ziel erreicht werden wollte und die Aktion ein Selbstzweck war, ist das dann nicht purer Egoismus auf Kosten von Hilfesuchenden, da man bewusst eine Verschlechterung der eigenen politischen Position, die diesen Menschen dienlich sein soll, in Kauf nimmt?
    3. Demonstranten haben nicht nur sich selbst, sondern auch den Mitdemonstranten gegenüber eine Verantwortung. Ich nehme an, die überwältigende Mehrheit der am Brenner anwesenden möchte nicht mit dieser Aktion in Verbindung gebracht werden. Wie kommen einige wenige dazu, das mediale Bild der Demonstration derart für sich zu vereinnahmen?
    4. Glaubt ihr, dass jemand nach dem Konsum auch ausgewogener - geschweige denn reißerischer - Berichterstattung, die Botschaft der Demonstration uneingeschränkt positiv aufnimmt und in der Folge für unser Ziel/unsere Sache gewonnen werden konnte?

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    1. Zunächst war dieser Artikel nicht gegen/an dich persönlich gerichtet, sondern bezog sich auf die Debatte dazu im Allgemeinen. Dein Artikel war nur der Auslöser dazu.

      1. Frag doch die Organisator*innen persönlich. Ich kann dir nur sagen, wie ich das sehe: Dass nämlich versucht wurde, symbolisch für die tausenden Geflüchteten die Repression des Grenzregimes aufzuzeigen - nach dem Motto "Siamo tutti clandestini". Es sollte gezeigt werden, mit welchen Methoden die Staaten auf illegale Grenzübertritte reagieren - nämlich mit blanker Gewalt. Deshalb der friedliche Versuch, an der Polizeikette vorbei zu kommen.
      2. Mit Sicherheit war das kein "Selbstzweck". Siehe oben. Natürlich kann man diskutieren, ob der Kommunikationszusammenhang der Aktion schlecht war, die Message zu unklar, ect., alles legitim. Aber das ist ein anderes Level der Diskussion wie jenes, das du in deinem Artikel eingeschlagen hast.
      3. Ehrlich? Die Mehrheit beteiligte sich zwar nicht an dieser Aktion, stand aber dahinter.
      4. Wie gesagt, über die Vermittlung der Botschaft kann man diskutieren, und ich bin der letzte, der damit glücklich wäre. Weil deine Kritik ja einen wahren Kern hat - die Botschaft ist eben vielfach NICHT angekommen, das ist Fakt. Aber bei einer ausgewogenen Berichterstattung geht sie zumindest nicht unter.

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  2. Noch kurz zu den Anschuldigungen mir gegenüber.

    "Wer sich über diese Aktion derart aufregen kann, die hunderten Toten im Mittelmeer aber als Kollateralschaden einer durchaus vernünftigen "Migrationspolitik" betrachtet, Militär an innereuropäischen Grenzen akzeptabel und einen erdigen Autokraten, der im Süden seines Landes ganze Städte zerschießen lässt, für einen Verbündeten Europas, der hat jedes Maß für Recht und Unrecht verloren."
    Ich tue alles in meiner Macht stehende, um gegen dieses Unrecht zu kämpfen. Mit Füßen und Feder. Trotzdem kann ich mich eben maßlos aufregen über diese Aktion, da sie meine Bemühungen zunichte macht.

    "Wenn man keine Ahnung hat, aber mitreden möchte: Sich informieren."
    Ich habe nicht darüber geurteilt, wie schwerwiegend oder harmlos die Aktion am Brenner war, sondern über die mediale und gesellschaftliche Implikation, für die Schwere und Ausmaß einigermaßen irrelevant sind.

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    1. Wie gesagt, die Kritik richtete sich nicht primär gegen dich persönlich, keine Ahnung, was du sonst machst.

      Aber ja, du hast dich angemaßt, über die Demoteilnehmer*innen zu urteilen und über ihre Intentionen ("Chaoten"), und nicht nur darüber gesprochen, wie die Wahrnehmung war, sorry aber das kannst du jetzt nicht so umdrehen.

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  3. Armin Mutschlechner stimmt meiner Analyse übrigens auch weitgehend zu.
    http://arminpost.blogspot.it/2016/04/demo-brenner.html

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  4. Sehr richtig, gerade die Doppelmoral. Polizisten dürfen Gewalt gegen Wehrlose Immigranten anwenden, aber ein paar Bengalos sind eine Staatsaffäre...
    Widerstand gegen die Grenzkontrollen am Brenner, und wenn es sein muss bis zum Letzten!

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  5. Hans Heiss distanziert sich in der Tageszeitung von der Aktion.

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  6. 1) Ich goutiere es bei Texten den/die Autoren zu kennen, denn man sollte die Palle habe zu dem zu stehen was man veröffentlicht, 2) Demokratie und Gewalt vertragen sich nicht, und wer anderer Meinung ist darf den BR, der RAF oder der ISIS die Hände schüttelt, 3) Widerstand gegen Unrecht unterschreibe ich, jedoch es gibt subtilere Mittel als wie Hooligans (Chaoten) aufzutreten. Ergo: Habt die Palle unvermutet eure Gesicht gegen Unrecht zu erheben, und werft eure iPhons anstatt Steine, denn diese sind nicht Unschuldig an dem was ihr mitunter anprangert.

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    1. Wir, als südtiroler antifaschisiten ( die wenigen die da waren) haben sicher keine steine geworfen. italiener haben militantere und andere methoden auf der straße, wie schon gesagt, die sinnhaftigkeit ist zweifelhaft. Jetzt aber den Bluthunden von Athesia und co folgen und von Chaoten und Straßenschlachten zu sprechen, spricht aus einem eher zu bürgerlichen standpunkt. oder?

      Die Anonymität bietet einen gewissen selbstschutz, der in zeiten wie diesen nötig ist. (siehe jüngere gewaltttaten gegen antifaschisten). Und wenn man relativ wenig bis gar keine ahnung hat was auf der straße alles abging und abgeht mit politischen hintergrund, ohne dass es in den medien kommt, sollte man sich auch anderweitig vorher informieren.

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    2. Demokratie und Gewalt vertragen sich nicht? Da machst du dir es aber sehr einfach. Gleich wie wenn du den IS mit der RAF gleichsetzt.

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