„Me ne frego"
Andrea Bonazza, 25, ist Italia-Hooligan und Faschist. Seine „Bar 8" in der Dalmatienstraße ist die Höhle des berüchtigten „schwarzen Tifo". Wenn die Squadra azzurra gewinnt, brechen Andreas Squadristen auf zum Siegesplatz und „schlagen zurück".
Interview von Andrea Bonazza mit der Tageszeitung, 8./9. Juli 2006, F. Kronbichler - Bildquelle: Tageszeitung
-Tageszeitung (spät am Abend in der „Bar 8", überall hängen Devotionalien der rechtsradikalen Fanszene an den Wänden): Dürfen Sie reden?
Andrea Bonazza: Trauen Sie sich zu fragen? Das wird eher die Frage sein. Ich antworte auf alles.
-Sie tragen Ihre Aussagen ohnehin tätowiert an Ihrem Körper.
Einiges, ja. Das Keltenkreuz, den Duce, etwas SS-Zeug, Ultras-Geschichten...
-Lauter verbotenes Zeug.
Ist doch mir Scheiße. Faschist sein ist auch verboten.
-Sind Sie Faschist?
Klar, bin ich Faschist. Seit ich 13 war, bin ich es.
-Wie ist man Faschist, mit 13?
Begonnen habe ich als Ultra. Beim Hockey, beim Fußball, und es begann mit den ersten Schlägereien.
-Sie haben geschlägert?
Wir haben ausgeteilt und eingesteckt. Wie das halt so ist. Ein richtiger Ultra schlägert.
-Und daheim?
Haben sie keine große Freude gehabt. Aber politisch geht's in Ordnung. Auch meine Eltern sind rechts.
-Sie hören auf Ihre Eltern?
Heut bin ich 25, ich hab ein gutes Verhältnis mit daheim. Zuerst war ich beim Fronte della Gioventù. Seit 1995 die „Fiamma tricolore" gegründet wurde, bin ich dort dabei.
-Was heißt, Faschist sein?
Mein Vaterland lieben, meine Vergangenheit, meine Herkunft nicht verleugnen...
-Die Deutschen hassen?
Nein, überhaupt nicht. Wir haben Respekt vor der deutschen Ethnie.
-Bei der Fußball-WM sind die Deutschen aber Ihre Feinde?
Sind unsere Gegner, klar. Unsere liebsten Gegner. Da geht's auf.
-„Chi non salta, chi non salta, tirolese è"?
Ja, und? Sangen wir auf dem Siegesplatz. Was soll daran nicht in Ordnung sein?
-Dürfen Südtiroler sich nicht beleidigt fühlen?
Wir meinen die Deutschen, und ihr seid doch Deutsche, oder? Sie brauchen in kein Stadion zu gehen, wenn Sie so empfindlich sind.
-Sie sangen das am Waltherplatz.
Okay, wir zogen nach Italien-Deutschland vom Siegesplatz zum Waltherplatz. Dürfen wir wohl, oder? Ist doch unsere Stadt. Lieber ist mir der Siegesplatz, aber auch der Waltherplatz geht in Ordnung.
-Sie suchten den Zusammenstoß mit Deutschen-Fans.
Schmarrn. Wir suchen keinen Zusammenstoß, wir halten nicht die andere Wange hin, wenn schon. Wenn unsere Nazionale spielt, wird ausgezogen, wär noch schöner. Immer, wenn unsere Mannschaft spielt, wird ausgezogen.
-Was ist Ihre Mannschaft, außer der Nazionale?
Der Hockeyclub Bozen und, beim Fußball, der FC Bolzano.
-FC Bolzano, ist aber nichts zum Großtun.
Es ist meine Mannschaft, und wer sie angreift, wird angegriffen. Ist Wurscht, ob in der Serie A oder in der Landesliga. Wir verteidigen die „maglia", das Trikot. Wer es trägt, ist nicht so wichtig. Spieler sind austauschbar, die „maglia" bleibt. Für sie leben wir.
-Sie haben doch einen Beruf.
Ich führe seit ein paar Monaten die Bar hier, vorher war ich zwei Jahre beim Militär, aber bevor ich irgendwas bin, bin ich Ultra.
-Berufssoldat und Ultra - vertrug sich das?
Sagte ich doch, ich bin vom Heer ausgetreten. Ich ertrug es nicht länger, ein Knecht der Amerikaner zu sein.
-Hier in der Bar bist du jetzt unter Deinesgleichen.
Hier kommt jeder her. Klar, wir stehen auf Rock'n-roll, Metal, Punk, harte Sachen. Wer das mag, kommt auch.
-Linke werden eher nicht kommen?
Kommen auch. Wir haben nichts gegen die richtigen Linken. Diskutieren wir gern. Ernesto Che Guevara ist auch für uns ein Held.
-Mit wem diskutieren Sie nicht gern?
Mit allen bürgerlichen Spießern.
-Eure Feinde?
Unser Feind ist der Kommunismus. Und der Kapitalismus.
-Die Polizei?
Die Polizei steht immer auf Seiten des Systems, egal ob rechts oder links, immer.
-Dann steht sie manchmal auch auf eurer Seite.
Wir haben nichts mit diesen Rechten da zu tun. Wir sind Faschisten.
-Alleanza Nazionale ist euch zu lau.
Alleanza Nazionale ist eine Hosenscheißer-Partei. Fini ist der Schlimmste von allen. Schreiben Sie: Wir sind stolz, Gianfranco Fini für das absolute Übel zu erklären.
-Im Zweifelsfall war Ihnen aber schon die Berlusconi-Regierung lieber?
Berlusconi oder Prodi, ist Wurscht. Sind beides Kapitalisten. Mehr Kapitalismus als Forza Italia geht nicht. Abgesehen davon, bin ich Anti-Milanist.
-Also Berlusconi oder Prodi?
So gefragt, sage ich Berlusconi. Zumindest hat er ein bisschen Nationalgefühl.
-Sie drücken Ihr Nationalgefühl sogar mit dem Faschistengruß aus.
Ja, die mit dem Saluto romano, das sind wir. Die Dolomiten hat zwei Fotos von uns veröffentlicht. Freut uns.
-Der Saluto romano ist verboten.
Ich bin auch verboten. Der Saluto Romano ist der älteste italienische Gruß.
-Er ist eine Beleidigung speziell für die Südtiroler.
Was glauben Sie, was ich für Beleidigungen hinnehmen muss. Dieses ganze antifaschistische Getue! Aber „me ne frego"! Unsere Hymne ist „me ne frego", scheiß mich!
-Fürs Finale an diesem Sonntag werden Sie noch einiges vorhaben?
Ach, wissen Sie: Ein Italien-Deutschland ist schwer zu überbieten. Stärker als gegen die Deutschen geht's nicht. Hier bei mir wird's natürlich wieder „Wodka tricolore" geben...
-... und wenn gewonnen wird, wird losgezogen?
Klar, wie nach der Deutschland-Partie, mehr geht nicht.
-„Chi non salta, francese è" - funktioniert irgendwie nicht.
Sie verstehen nichts von Stadion und von Ultras. Zwischen Ultras respektiert man sich. Man schlägt zusammen, aber man respektiert sich.
-Sie verwechseln die Stadt mit dem Stadion.
Wir schlagen doch keine Frauen und keinen Familienvater zusammen. Natürlich darf uns niemand provozieren. Wenn ein Italiener in ein stockdeutsches Dorf hinausfährt, ich weiß nicht, nach Jenesien oder Andrian, und er provoziert, dann verdient er, dass er Schläge kriegt.
-Sie haben den Bürgermeister von Bozen provoziert.
Das waren nicht wir. Aber bitte, er ist ein Linker und benimmt sich beschissen.
-Provozieren ist Ihr Geschäft.
Wir provozieren nicht, wir reagieren. Wir schlagen zurück, wenn schon. Wir schützen unsere Mannschaft.
-Die Schützen haben euch geklagt, sie fühlen sich beleidigt von euren Provokationen.
Die Schützen haben am wenigsten Grund beleidigt zu sein. Wir respektieren sie. Sie sind die Faschisten der Gegenseite.
-Und die SVP?
Die SVP ist wie Alleanza nazionale. Eine Geschäftsmacher-Partei.
-Durnwalder?
Macht's gut. Gibt sich wirklich Mühe. Sozial gesehen, gibt's keinen besseren. Also ich würde ihm den Gruß nicht verweigern.
-Die Ausländer?
Lieber sehe ich keinen. Ist aber nicht deren Schuld. Ich bin natürlich total gegen Einwanderung.
-Die Selbstbestimmung für Südtirol?
Finde ich in Ordnung. Ich bin Nationalist und achte jeden, der stolz ist auf die Nation, der er angehört.
-Das ginge dann aber auf Ihre Kosten.
Wir werden uns zu wehren wissen. Ich habe schon Tausende Schläge kassiert, und ich werde weitere kassieren.
-Jetzt wollen Sie erst einmal Weltmeister werden.
Werden wir. Dann sperre ich hier zu, und wir ziehen zum Siegesplatz. Denn bevor ich Gastwirt bin, bin ich Ultra.